Internationale Unternehmen fahren ihre Investitionen in Deutschland zurück, denn als Wirtschaftsstandort ist das Land zu teuer und zu langsam bei der Transformation. Das legen die Ergebnisse der aktuellen Studie „Business Destination Germany 2022“ der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nahe. Bei den bereits vor Jahren bemängelten Schwächen habe es keine Verbesserungen gegeben. Zudem schwinden bisherige Standortstärken.
Nur noch 19 Prozent der Befragten planen ein Investment von mindestens zehn Millionen Euro pro Jahr in Deutschland in den kommenden fünf Jahren, 34 Prozent waren es vor vier Jahren. Nach Einschätzung ausländischer Investoren hat es bei keiner der vor zwei Jahren bemängelten Schwächen Verbesserungen gegeben. Deutschland hat laut Umfrage hinsichtlich der Standortfaktoren Steuern, Digitalisierung und logistische Infrastruktur im EU-Vergleich weiter an Wettbewerbsfähigkeit verloren.
Zugleich haben sich grundlegende Standortstärken, für die Deutschland international bekannt ist und geschätzt wird, verschlechtert: Innovationsförderndes Umfeld, Prozessautomatisierung und Arbeitsproduktivität.
Diverse Industrien befinden sich aufgrund der Mega-Trends Digitalisierung, Umweltschutz und Nachhaltigkeit sowie der geopolitischen Entwicklungen und dem demografischen Wandel in einem grundlegenden Transformationsprozess. Diesem exogenen Veränderungsdruck begegnet die deutsche Politik nach Auffassung internationaler Investoren bislang zu wenig agil. Auch das Feedback zum Reifegrad des Standorts bei der Prozessautomatisierung fiel deutlich schwächer aus als vor zwei Jahren. Damals bewerteten noch 52 Prozent der Inbounds Deutschlands Potenzial für künftige Produktivitätssprünge als EU-weit führend. Heute vertreten nur noch 45 Prozent diese Auffassung.
Dennoch sehen mindestens 40 Prozent der befragten CFOs Deutschland bei zehn der sechzehn erhobenen Standortfaktoren unter den Top 5-Ländern in der EU. Insofern erscheint das Umfeld für internationale Investoren in Deutschland auf den ersten Blick weiter intakt. Die besten Bewertungen erhält der Wirtschaftsstandort erneut bei den Faktoren Lebensstandard (81 Prozent), öffentliche Sicherheit (80 Prozent) sowie politische Stabilität (80 Prozent).
Eine besonders schwache Bewertung erhält das deutsche Steuersystem. Aktuell bewertet jeder Vierte das deutsche Steuersystem als eines der fünf unattraktivsten der EU (21 Prozent) oder gar als das unattraktivste (4 Prozent). Auch die hiesigen Arbeitskosten liegen mit durchschnittlich EUR 36,60 pro Stunde gegenüber EUR 28,50 im EU-Durchschnitt relativ hoch. Aufgrund der hohen Arbeitsproduktivität haben internationale Investoren dieses bislang aber in Kauf genommen. Fast drei Viertel der Inbounds zählen das Land noch zu den Top 5 (61 Prozent) oder als Spitzenreiter (11 Prozent), sprich als das Produktivste unter den EU-Mitgliedsstaaten.
Für diese Studie wurden 360 CFOs der größten deutschen Tochtergesellschaften internationaler Konzerne aus den wichtigsten Investorenländern befragt. Untersucht wurden dabei die wichtigsten Faktoren des Wirtschaftsstandorts Deutschland im EU-Vergleich. Der Befragungszeitraum lag zwischen dem 14. Juni und 16. August 2021.