Ist es erforderlich die Begriffswelt aus ISO 9001:2015 im eigenen QM-System zu übernehmen?
Prof. Dr. Hermann J. Thomann: Diese Frage stellte sich wohl für viele Unternehmen neu nach dem Erscheinen der Revision 2015. Die Begriffe in der Norm wurden im Vergleich zur Ausgabe 2008 teilweise verändert. So wurde z. B. aus „dokumentierte Verfahren und Aufzeichnungen“ in der Fassung von 2015 die „dokumentierte Information“. Aus „Lieferant“ wurde allgemeiner „Anbieter“.
Die notwendige Überarbeitung der QM-Systeme in den Organisationen ergab sich aus den Neuerungen der Revision 2015, wie z. B. dem „risikobasierten Ansatz“ oder aus dem Punkt „Wissen der Organisation“, aber nicht aus der neuen Struktur oder der speziellen Begriffswelt der internationalen Norm. Dies wird ausdrücklich in der Einleitung im Kapitel 0.1 Allgemeines klargestellt: „Es ist nicht die Absicht dieser internationalen Norm, die Notwendigkeit zu unterstellen für
- die Vereinheitlichung der Struktur unterschiedlicher Qualitätsmanagementsysteme
- die Angleichung der Dokumentation an die Gliederung der internationalen Norm
- die Verwendung der speziellen Terminologie dieser internationalen Norm innerhalb der Organisation.“
Somit ist das rein formal eindeutig: keine Anpassung an die Begriffswelt der Norm. Warum aber beschäftigen sich trotzdem viele Organisationen mit dieser Frage, oder entscheiden sich für eine Anpassung der Begriffe in ihrem QM-System? Vermutlich um externen Auditoren die Arbeit zu erleichtern, da diese sich dann nicht auf die „Sprache der Organisation“ einstellen müssen. Aber was ist die Konsequenz daraus? Alle Mitarbeiter oder zumindest diejenigen, die mit/in dem QM-System „leben“, sprich planen, steuern, erstellen, prüfen, überwachen, bewerten usw. müssten sich dann auf die spezielle Terminologie dieser internationalen Norm einstellen. Diese ist einerseits sehr allgemein ausgelegt, viele Organisationen (nicht nur Unternehmen) sollen sich darin wiederfinden. Andererseits ist sie auch speziell, die Qualitätswissenschaften haben mit der Gründung der ersten Lehrstühle in Deutschland (z. B. an der RWTH Aachen, Lehrstuhl für Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement, ehemals Prof. Pfeifer, jetzt Prof. Schmitt) in den 1980er Jahren viel dazu beigetragen die Terminologie zu definieren und in einen internationalen Kontext zu bringen, der von der englischen Sprache (Deming, Crosby, Juran … ) dominiert wurde.
Ob eine Organisation ihr QM-System in der Sprache der Organisation oder in der Terminologie der Norm beschreibt, ist also ihre freie Entscheidung. Je weniger techniklastig eine Organisation ist umso wahrscheinlicher ist die Entscheidung für ein QM-System in der eigenen Sprache. Um externen Auditoren den Einstieg in die Dokumentation (ob QM-Handbuch oder HTML-Version) zu erleichtern wird häufig noch ein Glossar der Begriffe in Bezug auf die Norm erstellt.
In diesem Sinne noch der Ratschlag, nicht zu sklavisch an der Norm zu hängen, sondern das Optimum für die eigene Organisation zu realisieren. Die Mitarbeiter arbeiten ja – im Idealfall – täglich innerhalb des QM-Systems.