Kann eine Organisation zertifiziert werden, ohne eine Qualitätsabteilung zu besitzen?
Prof. Dr. H. J. Thomann: Bevor man auf die Zertifizierfähigkeit eingeht, muss der Begriff „Qualitätsabteilung“ näher beleuchtet werden. Welche Aufgaben sind ihr zugeordnet? Qualität wird von allen Mitarbeitern einer Organisation erzeugt (oder manchmal auch nicht, davor schützt auch ein QMS nicht immer). Was bleibt dann für eine „Qualitätsabteilung“? Die Anführungszeichen sind bewusst gesetzt, um aufzuzeigen, dass eine Präzisierung hier notwendig ist. Aufgaben können z. B. die Überprüfung der erzeugten Qualität im Bereich Endkontrolle oder auch im Wareneingang sein. Diese Abteilung wird meist Abt. Qualitätskontrolle genannt.
Aufgabenstellungen wie sie in Kap. 5.3 der ISO 9001:2015 aufgeführt werden, sind oft in einer Abteilung Qualitätsmanagement oder beim QM-Beauftragten (QMB) angesiedelt. Das Top-Management muss u. a. Verantwortlichkeiten und Befugnisse festlegen, um sicherzustellen, dass das QM-System die Forderungen der ISO 9001:2015 erfüllt. Auch die Verantwortung und Befugnis für die Berichterstattung über die Wirksamkeit des QM-Systems muss benannt werden. Natürlich kann das Top-Management diese Aufgaben auch selbst übernehmen.
Die Norm erhebt den Anspruch, sowohl für große als auch für kleine, für produzierende und dienstleistende, für gewinnorientierte wie für gemeinnützige Organisationen der geeignete Organisationsrahmen für Kundenorientierung und Qualitätsleistung zu sein. Um zur Ausgangsfrage zurückzukommen: Eine „Qualitätsabteilung“ ist in der Revision 2015 nicht gefordert. Der bisher so gebräuchliche Begriff Qualitätsmanagement-Beauftragter ist sogar ganz entfallen. Welche Struktur eine Organisation wählt, ist also von einigen Parametern (s. o.) abhängig. In einem 5-Personen Unternehmen wird sich möglicherweise der Geschäftsführer selbst als Verantwortlichen für das QM-System benennen. In einem 1000-Personen-Unternehmen ist das eher unwahrscheinlich. Die Zertifizierbarkeit einer Organisation ist also von zahlreichen Randbedingungen abhängig und nicht per se von der Existenz einer Qualitäts-(management) Abteilung.