Im Jahr 2023 haben Beschäftigte weniger meldepflichtige Arbeitsunfälle erlitten als 2019. Die Zahl der Verunfallten erreichte damit ein Allzeittief, wenn man die Corona-Jahre 2020 bis 2022 nicht berücksichtigt, in denen Arbeitszeiten und Mobilität stark von den Bedingungen der Pandemie beeinflusst waren. Das geht aus den Geschäfts- und Rechnungsergebnissen der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen für das Jahr 2023 hervor, die ihr Spitzenverband, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Anfang Juni bekannt gab.
Die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle ging 2023 um 0,5 Prozent auf 783.426 zurück. 2019 wurden noch 871.547 Arbeitsunfälle verzeichnet. Auch das relative Unfallrisiko ist damit rückläufig – ein wichtiger Indikator für den Arbeitsschutz in Deutschland: Es lag 2023 bei rund 18,1 meldepflichtigen Arbeitsunfällen je 1.000 Vollarbeiter. 2019 lag dieser Wert noch bei 20,97. Die statistische Größe eines Vollarbeiters entspricht dabei der Zahl der Arbeitsstunden, die eine in Vollzeit tätige Person im Jahr gearbeitet hat. Sinkt das relative Unfallrisiko, bedeutet dies, dass in der gleichen Arbeitszeit weniger Unfälle passiert sind.
Auf den Wegen von und zur Arbeit haben sich im letzten Jahr 184.355 Unfälle ereignet, das sind etwa 6,4 Prozent mehr als im Vorjahr, aber immer noch weniger als im Vor-Corona-Jahr 2019, in dem 186.672 Wegeunfälle gemeldet wurden.
„Die Zahlen für das Jahr 2023 zeigen uns, dass die Arbeits- und Mobilitäts-Gewohnheiten der Versicherten wieder mit der Zeit vor der Pandemie vergleichbar sind. Allerdings ist die Zahl der versicherten Personen und der geleisteten Arbeitsstunden gestiegen. Vor diesem Hintergrund ist das Allzeittief bei den Arbeitsunfällen und den tödlichen Arbeitsunfällen eine sehr gute Nachricht“, sagt Dr. Stefan Hussy, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). „Dass im letzten Jahr 599 Menschen bei der Arbeit oder auf dem Weg tödlich verunglückt sind, zeigt uns andererseits deutlich, dass wir uns weiter anstrengen müssen, um dem Ziel der Vision Zero näher zu kommen.“
2023 war die Gesamtzahl der Arbeits- und Wegeunfälle mit tödlichem Ausgang so niedrig wie noch nie. Gegenüber dem Vorjahr verunglückten 72 Menschen weniger infolge ihrer versicherten Tätigkeit
Starker Rückgang bei den Berufskrankheiten
Die Zahl der Verdachtsanzeigen auf eine Berufskrankheit und die Zahl der Anerkennungen gingen im vergangenen Jahr drastisch zurück. Diese Entwicklung spiegelt das Abklingen der Pandemie. COVID-19-Erkrankungen hatten in den vergangenen Jahren den größten Teil der Berufskrankheiten ausgemacht. Aber auch 2023 sind die Auswirkungen der Pandemie noch sichtbar. 2023 wurden 145.359 Verdachtsanzeigen auf eine Berufskrankheit gestellt, das ist ein Rückgang zum Vorjahr um rund 60,7 Prozent. In 72.630 Fällen wurde eine Berufskrankheit anerkannt, das entspricht einem Rückgang um rund 63,6 Prozent im Vergleich zu 2022. Diese Zahlen sind immer noch etwa doppelt so hoch wie im Jahr 2019. Dies erklärt sich durch die immer noch in relevanter Zahl aufgetretenen COVID-19-Fälle: Im vergangenen Jahr wurden hierzu 64.733 Verdachtsanzeigen gestellt, in 53.220 Fällen wurde eine Berufskrankheit infolge von COVID-19 anerkannt.
2.140 Versicherte verstarben 2023 infolge einer Berufskrankheit, davon 13 an einer Infektion mit COVID-19.
Leichter Anstieg bei den Schülerunfällen
Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung erstreckt sich auch auf Kinder in Tagesbetreuung, beim Besuch von allgemein- und berufsbildenden Schulen und auf Studierende. Im vergangenen Jahr verzeichneten die Unfallkassen als Träger der Schüler-Unfallversicherung 1.025.963 meldepflichtige Schulunfälle. Das entspricht einem Anstieg um fast vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Diese Zahl liegt aber immer noch unter der des Vor-Corona-Jahres 2019, als 1.176.664 Schulunfälle gemeldet wurden.
Die Zahl der Unfälle auf dem Schulweg ist um etwas mehr als vier Prozent gestiegen: 92.308 Kinder und junge Menschen verunfallten auf dem Weg von oder zu ihrer Bildungseinrichtung. Im Jahr 2019 lag die Zahl der Schulwegunfälle bei 108.787.
27 Kinder und Jugendliche verunglückten tödlich – zwei mehr als im vergangenen Jahr – in einer Bildungseinrichtung oder auf dem Weg dorthin oder wieder zurück an den Wohnort.
Ausgaben- und Beitragsentwicklung
Entschädigungsleistungen machen den größten Anteil im Budget der gesetzlichen Unfallversicherung aus. Im Zuge allgemeiner Preis- und Lohnsteigerungen haben 2023 auch hier die Ausgaben zugenommen: Berufsgenossenschaften und Unfallkassen wendeten im vergangenen Jahr rund 12 Milliarden Euro für Entschädigungsleistungen auf. Die Kosten für Heilbehandlung und Entschädigung (5,7 Mrd. Euro, +7,4 Prozent) stiegen dabei deutlich schneller als die Kosten für die finanzielle Entschädigung von Versicherten (6,3 Mrd. Euro, +2,5 Prozent). „Die Ausgaben für Heilbehandlung und Rehabilitation mögen hoch erscheinen, tatsächlich sind es Investitionen, die sich lohnen“, so Hussy. „Das zeigen unsere Erfolge bei der Wiedereingliederung von Versicherten nach Arbeitsunfällen und bei Berufskrankheiten.“
Die gewerblichen Berufsgenossenschaften und die Unfallkassen finanzieren sich durch die Beiträge ihrer Mitgliedsunternehmen und -einrichtungen. Sie erzielen dabei keine Gewinne. Berechnungsgrundlagen für die Beiträge der gewerblichen Berufsgenossenschaften sind der Finanzbedarf – auch Umlagesoll genannt – sowie die Arbeitsentgelte der Versicherten und die Gefahrklassen. Das Umlagesoll der Berufsgenossenschaften für 2023 belief sich auf 13,97 Mrd. Euro. Damit lag der Betrag rund 4,9 Prozent höher als im Vorjahr.
Das beitragspflichtige Entgelt in der gewerblichen Wirtschaft stieg um 5,3 Prozent auf rund 1.251,53 Mrd. Euro. Darunter versteht man die Arbeitsentgelte der abhängig Beschäftigten sowie die Versicherungssummen der versicherten Unternehmer. Aufgrund der Steigerung des beitragspflichtigen Entgelts bleibt die Beitragsbelastung für die Unternehmen trotz gestiegener Kosten konstant: Als durchschnittlicher Beitragssatz ergeben sich daraus 1,12 Prozent des beitragspflichtigen Entgelts. Dieser Satz ist der gleiche wie im Vorjahr.
Für den Umlagebeitrag der Unfallkassen haben die Unternehmen in öffentlichem Eigentum und die öffentlichen Haushalte insgesamt 1,91 Mrd. Euro aufgebracht. Damit stieg der Betrag im Berichtsjahr um 8,2 Prozent.