Künstliche Intelligenz (KI) hat sich als wertvolles Hilfsmittel in der Endoskopie etabliert, insbesondere bei der Erkennung von Polypen während Koloskopien. Doch eine neue Beobachtungsstudie aus Polen, veröffentlicht im Rahmen der ACCEPT-Studie (Artificial Intelligence in Colonoscopy for Cancer Prevention), wirft ein bedeutendes Problem auf: Die kontinuierliche Nutzung von KI-Systemen scheint das Verhalten von Endoskopisten negativ zu beeinflussen und könnte die Qualität ihrer Arbeit beeinträchtigen.
Studienergebnisse
Eine retrospektive Studie an vier Endoskopiezentren in Polen untersuchte, ob die wiederholte Anwendung von KI während Koloskopien langfristige Auswirkungen auf die Qualität der Eingriffe hat. Die Analyse umfasste zwei Zeiträume: drei Monate vor und drei Monate nach der Implementierung eines KI-Systems zur Polypenerkennung Ende 2021. Insgesamt wurden Daten von 1443 Patienten ausgewertet.
Die Adenomerkennungsrate (ADR, Adenoma Detection Rate) in Koloskopien, die ohne KI durchgeführt wurden, verringerte sich nach Einführung der KI von 28,4 % auf 22,4 %. Dieser Rückgang von 6 % war statistisch signifikant (p = 0,0089).
Die Ergebnisse legen nahe, dass KI zwar bei der Polypenerkennung unterstützt, bei regelmäßiger Anwendung jedoch das Verhalten und die Präzision der Endoskopisten negativ beeinflussen könnte. Möglicherweise entsteht eine „technologische Abhängigkeit“, bei der Endoskopisten weniger aufmerksam oder präzise vorgehen, wenn KI nicht verfügbar ist. Langfristig könnten dadurch Risiken für die Patientensicherheit entstehen.
Relevanz für das Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen
Die Studie wirft eine zentrale Frage auf: Wie können KI-Systeme implementiert werden, ohne dass medizinisches Personal seine technischen Fähigkeiten einbüßt? Für Qualitätsmanagement-Beauftragte im Gesundheitswesen ergeben sich hier wichtige Aufgaben:
- Schulungen und Weiterbildung:
Regelmäßige Fortbildungen sollten sicherstellen, dass medizinisches Personal auch ohne technische Unterstützung weiterhin auf höchstem Niveau arbeiten kann. - Monitoring der Qualität:
Die Überwachung von Leistungskennzahlen wie bspw. der ADR sollte bei der Einführung von KI-Systemen fester Bestandteil des Qualitätsmanagements sein. - Langfristige Strategien:
Die Integration von KI darf kein Ersatz, sondern nur eine Ergänzung der persönlichen Expertise bleiben.
Fazit
Die Einführung von KI im Gesundheitswesen bietet große Chancen, birgt aber auch Risiken – insbesondere, wenn sich das Verhalten des Fachpersonals unbeabsichtigt verändert. Die Ergebnisse dieser Studie verdeutlichen die Notwendigkeit eines verantwortungsvollen Umgangs mit KI im Klinikalltag, um eine gleichbleibend hohe Qualität in der Patientenversorgung sicherzustellen.
Die Studie ist hier verfügbar: Endoscopist deskilling risk after exposure to artificial intelligence in colonoscopy: a multicentre, observational study.