Vernetzung bringt Flexibilität und Agilität in die Produktion

13 Jan

Lange Zeit waren ­starre Produktionsstrukturen alternativlos, wenn schnelle Durchläufe gefragt waren. Jetzt werden sie obsolet, zeigt ein Trendreport des Fraunhofer IPK. Statt hochintegrierter, fest verketteter Anlagen favorisieren Produktionsfachleute zunehmend modulare Anlagensysteme, die flexibel kombiniert werden. Ergebnis ist idealerweise eine selbstorganisierende Produktion, wie sie das Fraunhofer IPK vorantreibt.

Starre Produktionsstrukturen sind effizient und zuverlässig, haben aber auch Nachteile. Der größte: Es ist aufwendig bis unmöglich, damit kundenindividuelle Spezialaufträge zu realisieren. Diese sind in vielen Unternehmen aber längst Alltag, selbst im klassischen Seriengeschäft. Manche Anbieter operieren mit 50 000 Systemprodukten bei jährlichen Wiederholraten von 1,4. So viel Agilitätsbedarf macht hochintegrierte Anlagen unwirtschaftlich. „Unsere Sicht darauf, was der Produktionsprozess umfasst und wie er zu gestalten ist, wird sich erheblich verändern“, sagt Eckart Uhlmann, Produktionsexperte und Institutsleiter des Fraunhofer IPK.

Unternehmen, die einen großen Teil ihrer Produkte nur einmal herstellen, nehmen viele Prozessschritte in Handarbeit vor. Umfassende Automatisierung lohnt für sie nicht, sie favorisieren stattdessen kleinere, hochflexible Anlagentechnik. Maschinenbauer und Systemlieferanten reagieren inzwischen auf diesen Bedarf und gestalten Maschinen produktagnostisch: Mit derselben Anlage werden verschiedenste Varianten eines Produkts produziert – oder unterschiedliche Produkte.

Die Verkettung der einzelnen Produktionsschritte erfolgt informationstechnisch. Anlagen werden in Dialog gebracht, die von verschiedenen Herstellern stammen oder heterogene Standards verwenden. Das lässt sich zum Beispiel mit IT-Adaptern umsetzen, die die Maschinensteuerung für Vernetzung öffnen. Darin kommunizieren und kooperieren sämtliche Fertigungsinstanzen – Menschen, Werkstücke, Maschinen und Werkzeuge – direkt miteinander. So kann zum Beispiel ein Werkstück eigenständig seinen Weg durch die Fertigung organisieren, indem es passende Bearbeitungsressourcen anfragt. Bearbeitungsstationen bieten freie Kapazitäten an oder lehnen ab, wenn ihre Datenlage auf einen Wartungsbedarf hindeutet.

Der Automatisierungsgrad kann je nach Unternehmen sehr unterschiedlich ausfallen. Manche Unternehmen profitieren am meisten von einer digital unterstützten Prozesssteuerung. Diese gibt im einfachsten Fall lediglich von einer Station zur nächsten das Wissen darüber weiter, um welchen Auftrag es sich handelt, welche Bauteile dazu gehören und wie sie im nächsten Schritt zu bearbeiten sind. Autonomere Ablaufsteuerungen sprechen die Anlagen direkt an, um Prozesse zu orchestrieren. Mit modellbasierten, modularen Konzepten können Prozessschritte dabei in immer neue Abläufe kombiniert werden. So wird die Produktion variabel und kundenindividuelle Fertigung oder schnelle Reaktionen auf Ausnahmesituationen werden mühelos machbar.

Auch für die Intraprozess-Logistik sind automatisierte Lösungen notwendig. Denn wer Takt und Band verlässt, braucht neue Lösungen, damit das Produkt im Produktionsprozess von A nach B kommt und an jeder Bearbeitungsstation das erforderliche Material bereitsteht. Hier kommen zum Beispiel fahrerlose Transportsysteme (FTS) oder Automated Guided Vehicles (AGV) ins Spiel. Sie lassen sich sogar in die Ablaufsteuerung integrieren – die Logistik wird integraler Teil des Produktionsprozesses.

Wenn Produktionsanlagen und andere Shopfloor-Einrichtungen flexibel in immer neue Prozesse zusammengesteckt werden, ändern sich auch die Methoden und Technologien für Pilotierung und Absicherung. Digitale Zwillinge und virtuelle Inbetriebnahme spielen eine entscheidende Rolle. Mit ihnen lässt sich prüfen, ob bei einer Neuanordnung jede Maschine an den vorgesehenen Platz passt und die Anordnung sinnvoll ist. Wird ein Prozess neu konfiguriert, können so der reibungslose Durhlauf sichergestellt und Ausfallzeiten bei Inbetriebnahme und Rekonfiguration geringgehalten werden.

„Die Interaktion mit IT und Logistik erweitert die Aufgabengebiete in der Systemgestaltung“, so Eckart Uhlmann. Expertinnen und Experten unterschiedlicher Domänen müssten viel stärker als bisher zusammenarbeiten. „Digitale Technologien werden künftig ebenso wie Logistiklösungen Domänenwerkzeuge der Produktionstechnik werden.“

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