Digitalisierungsindex 2022: Stagnation in Zeiten multipler Krisen

3 Mrz

Die Digitalisierung der Wirtschaft in Deutschland ist 2022 im Vergleich zu den Vorjahren nur noch marginal gewachsen, so das Gutachten des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) für das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Es könne von einer Stagnation der Digitalisierung gesprochen werden.

Die unternehmensinternen Kategorien haben sich danach nur geringfügig verbessert, die Rahmenbedingungen sogar leicht verschlechtert, heißt es. Die für die nahe Zukunft vorhergesagte höhere Zunahme bei den internen Kategorien sei nicht eingetreten. Und es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Rahmenbedingungen nunmehr den perfekten Nährboden für die Unternehmensdigitalisierung bilden. Im Gegenteil: Bei den Rahmenbedingungen wie auch bei den unternehmensinternen Kategorien gebe es noch deutliches Verbesserungspotenzial.

Dass die Digitalisierung der Wirtschaft in Deutschland nur minimal voranschreitet, könne auch an der fortwährenden Krisensituation liegen. Die Corona-Pandemie habe sich vor allem auf die internen Kategorien als Digitalisierungsbremse ausgewirkt. Inzwischen scheinen auch die Rahmenbedingungen unter den politischen und wirtschaftlichen Krisen, die zu der Corona-Pandemie dazugekommen sind, nämlich den Folgen des Ukraine-Krieges, den Lieferkettenschwierigkeiten, der Preisentwicklung und der Energiekrise, zu leiden. Die Indexindikatoren zeigen beispielsweise weniger digitale Start-ups, weniger FuE- und Innovationskooperationen und gestiegene Festnetz- und Internetpreise.

Die Studie spricht von Zeiten einer gesamtgesellschaftliche Ausnahmesituation. So sei es denn eine gute Nachricht, dass die Wirtschaft immerhin marginal digitaler wird und vor allem ihre Prozesse weiterhin digitalisiert und sich mit Externen digital vernetzt. Ebenfalls als gute Nachricht zu werten sei, dass die Gesellschaft die Digitalisierung zunehmend für sich nutzt und mehr und mehr mobiles Datenvolumen abfragt. Sie ist ein entscheidender Treiber des digitalen Fortschritts.

Sorgen bereiten hingegen die Stagnation bei der Qualifizierung und der Rückgang beim Humankapital. Digitale Souveränität und damit Kompetenzsouveränität ist die Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit sowie Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Die Stärkung der digitalen Kompetenzen in der Gesellschaft ist somit eine zentrale Aufgabe, um die Digitalisierung der Wirtschaft in Deutschland nachhaltig voranzutreiben.

Die digitalen Kompetenzen beeinflussen auch die Innovationslandschaft in Deutschland. Auch sie entwickelt sich negativ. Besonders drastisch ist der Rückgang digitaler Start-ups. Will die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähig bleiben, ist es zentral, dass sie Innovationen hervorbringt. Dazu bedarf es einer entsprechend agilen, ressourcengestärkten Innovationslandschaft. Sie zu fördern ist ein wichtiger Hebel für die Digitalisierung. In einer attraktiven Innovationslandschaft können die Unternehmen auch leichter eigene Forschungs- und Innovationsaktivitäten verfolgen, beispielweise durch Kooperationen mit digitalen Start-ups. Die Kategorie Forschungs- und Innovationsaktivitäten stagniert im Jahr 2022 ebenfalls.

Auf den unterschiedlichen Indexebenen gibt es keine großen Verschiebungen im Zeitablauf. Wenig überraschend bleiben große Unternehmen sowie die IKT-Branche mit deutlichem Abstand Digitalisierungspioniere. Insgesamt hat das Digitalisierungsmomentum der Corona-Pandemie noch nicht zu einem umfassenden und nachhaltigen Digitalisierungsschub in der deutschen Wirtschaft geführt. Wegen der Konfluenz verschiedener Krisen und dem Verbleib in der – sogar noch verschärften – Ausnahmesituation ist jedoch nicht auszuschließen, dass ein solcher Schub noch ausgelöst wird. Immerhin ist es beachtlich, dass die Wirtschaft unter dem Eindruck dieser Ausnahmesituation nicht sogar Rückschritte bei der Digitalisierung gemacht hat.

Es bleibe weiterhin umso wichtiger, so das Gutachten, die Rahmenbedingungen für die Digitalisierung in Deutschland zu verbessern. So müssten unter anderem die sich 2022 negativ entwickelnden administrativ-rechtlichen Rahmenbedingungen im Sinne einer digitalen öffentlichen Verwaltung gefördert werden. Insbesondere bei der Breitbandverfügbarkeit für Gewerbe gibt es noch deutliches Verbesserungspotenzial, wie der starke Indikatoranstieg 2022 anzeigt.

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