Mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Unternehmen haben das Thema CO2 bisher nicht in ihre internen Kontroll-, Risiko- und Compliance-Management-Systeme integriert. Das ist das Ergebnis einer Befragung deutscher mittelständischer Unternehmen durch das Umfrage- und Meinungsforschungsinstituts Forsa. Jedes fünfte der befragten Unternehmen (20 Prozent) plant dies auch künftig nicht zu tun. 60 Prozent verfügen bisher über keine Nachhaltigkeitsberichterstattung.
36 Prozent der Unternehmen überprüft nach der von der Unternehmensberatung FTI-Andersch und der Leuphana Universität Lüneburg beauftragten Untersuchung die eigenen Emissionen nicht regelmäßig. Wer dies tut, misst vor allem die direkten, das heißt die unmittelbar selbst verursachten Emissionen (82 Prozent). Indirekte Emissionen (43 Prozent) und die Emissionen der gesamten Wertschöpfungskette (22 Prozent) überwachen nur eine Minderheit der befragten Unternehmen.
„Wir sehen allerdings große Unterschiede zwischen den Branchen“, sagt Janina Hellwig, Studienautorin und Expertin für Energie und Klima bei FTI-Andersch. 83 Prozent der Unternehmen im produzierenden Gewerbe überwachten ihre Emissionen regelmäßig, gegenüber 56 Prozent der Dienstleister und 30 Prozent der Unternehmen im Handel. „Das korreliert damit, dass indirekte Emissionen aktuell noch nicht ausreichend in der Überwachung berücksichtigt sind: denn diese fallen insbesondere bei Dienstleistern und im Handel an.“
„Wir gehen jedoch davon aus, dass in mittlerer Frist alle Unternehmen einer relevanten Größe die regulatorischen Auflagen erhalten werden, sehr spezifisch den eigenen CO2-Ausstoß zu kontrollieren“, sagt Janina Hellwig. Darauf sollten sich alle Branchen schon heute einstellen und die notwendigen Voraussetzungen in Prozessen und IT-Infrastruktur dafür schaffen. Insbesondere die Kontrolle der Emissionen in der Lieferkette werde alle Unternehmen vor immense Herausforderungen stellen.
Nahezu analog zur Einbettung der Klimarisiken und -chancen in die internen Corporate Governance-Systeme (46 Prozent) haben 40 Prozent der von Forsa befragten Unternehmen bisher eine eigene Nachhaltigkeitsberichterstattung vorgelegt. 38 Prozent planen dies, rund ein Viertel (22 Prozent) jedoch nicht. Im jährlichen Lagebericht zur wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens hat die Mehrheit (54 Prozent) der Unternehmen keinen eigenen Abschnitt für einen Nachhaltigkeitsbericht vorgesehen. Lediglich 20 Prozent planen dies, unter anderem mit Blick auf die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der Europäischen Union.
„Dass ein signifikanter Anteil der befragten Unternehmen noch keine Nachhaltigkeitsberichterstattung betreibt, ist vor dem Hintergrund der neuen EU-Richtlinie bemerkenswert“, sagt Professor Dr. Patrick Velte von der Leuphana Universität Lüneburg, der die Untersuchung wissenschaftlich begleitet hat. „Denn alle befragten Unternehmen fallen unter die Berichtspflicht der CSRD.“ Danach sind alle Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, einer Bilanzsumme von mehr als 20 Mio. Euro und einem Umsatz von mehr als 40 Mio. Euro ab dem Geschäftsjahr 2025 berichtspflichtig.
Anders als die börsennotierten Unternehmen, die derzeit bereits eine nichtfinanzielle Erklärung erstellen müssen oder freiwillige Nachhaltigkeitsberichte vorlegen, müssen viele mittelständische Unternehmen dann von null auf hundert starten“, sagt Velte. Die Einrichtung entsprechender Management- und Berichtsstrukturen sei aber ein zeitaufwändiges Unterfangen.
CSRD bringt zudem eine externe inhaltliche Prüfungspflicht der Berichterstattung mit sich – zum Beispiel durch den Wirtschaftsprüfer, der auch den Jahresabschluss testiert. Von der Prüfung durch Dritte machen bisher erst 34 Prozent der befragten Unternehmen Gebrauch, 28 Prozent planen auch nicht, dies einzuführen. „Es drängt sich das Gefühl auf: Eine größere Gruppe von Unternehmen hat noch nicht vor Augen, was auf sie zukommt.“, sagt Hellwig.
Die Untersuchung ‚Climate Governance 2023‘ kann hier vollständig heruntergeladen werden.