Industrielle Lieferengpässe teilweise längerfristig

20 Okt

Die Materialknappheit in der Industrie könnte von längerer Dauer sein, warnt das ifo-Institut. Es sei nicht selbstverständlich, dass die Beschaffungsprobleme sich in absehbarer Zeit einfach auflösen werden. Denn nur ein Teil der Engpässe sei auf die Verkettung von Krisen wie Folgen der Corona-Pandemie oder des Ukraine-Krieges zurückzuführen. Zum anderen Teil handele es sich um strukturelle Veränderungen der globalen Nachfrage.

Seit dem Sommer 2021 meldet eine deutliche Mehrheit der Unternehmen Schwierigkeiten bei der Versorgung mit benötigten Vorleistungsgütern – in der Spitze (Dezember 2021) waren es mehr als 80 Prozent aller Industrieunternehmen; aktuell (Juli 2022) sind es immer noch fast 75 Prozent. Betroffen sind fast alle Industriebranchen. Alles in allem erwarten die vom ifo Institut befragten Unternehmen, dass die Lieferkettenprobleme zwar noch bis ins Jahr 2023 hinein andauern könnten, letzten Endes aber dennoch lediglich temporär sind.

Eine aktuelle iof-Studie sieht das anders: „Zum Teil spiegeln sich darin dauerhafte Entwicklungen wider, die Folge weltweiter Änderungen in der Produktionsstruktur sind – etwa der zunehmende Bedarf an Halbleitern oder an Industrie-Rohstoffen,“ schreibt Joachim Ragnitz, ifo-Forscher in Dresden. Bei einzelnen Produkten spiegelten die aktuellen Lieferschwierigkeiten aber auch Veränderungen des globalen Angebots bzw. der Nachfrage wider. Hier sei nicht zu erwarten, dass rasch (oder überhaupt) eine Rückkehr zu den Verhältnissen vor 2020 möglich ist.

Dauerhaft knappere (und damit teurere) Vorleistungen können strukturelle Anpassungen der deutschen Wirtschaft erforderlich machen, da bisherige Geschäftsmodelle – geprägt durch ein hohes Ausmaß an Spezialisierung bei Outsourcing kostenintensiverer Bestandteile der Wertschöpfungskette ins Ausland – damit obsolet werden könnten. Außerdem bestehe die Gefahr, dass China bei bestimmten Rohstoffen eine Verknappung oder Preissteigerungen auslöse.

Laut Ragnitz könnten auch Faktoren wie der Bevölkerungsrückgang oder die Dekarbonisierung die Produktion in Deutschland zu teuer machen und dauerhaft zu Produktionseinschränkungen führen.
Um negative Folgen für den Industriestandort zu vermeiden, müssten die Unternehmen neue Lieferanten finden oder versuchen, Ersatz für besonders knappe Vorleistungsgüter zu besorgen. Der mit der Verknappung von Vorleistungen einhergehende Kostenanstieg liefere den notwendigen Anreiz hierfür und sollte daher nicht unterbunden werden.

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