Die additive Materialextrusion kann ihr volles Potenzial in der Industrie noch nicht ausschöpfen. Die Gründe liegen zum einen in der Qualitätssicherung. Ihre Standards sind nicht etabliert oder nur teilweise adaptierbar. Zum anderen ist nicht einheitlich geregelt, welche Qualitätsmerkmale den größten Einfluss auf die Bauteilqualität haben und welche Prüfverfahren zur Messung dieser geeignet sind. Der Anwenderleitfaden „Qualitätssicherung in der additiven Materialextrusion“ des Fraunhofer IPA und der Universität Bayreuth schafft Abhilfe.
Die Materialextrusion (MEX) ist das meistgenutzte additive Fertigungs- oder 3D-Druckverfahren. Erwärmter Kunststoff wird durch eine Düse gefördert und schichtweise abgelegt. Die Energie, die durch die Erwärmung in den Kunststoff eingebracht wird, reicht aus, um ihn nach dem Ablegen mit der darunterliegenden Schicht zu verschmelzen. Nach dem Abkühlen entsteht eine dauerhafte Verbindung. Die fehlende standardisierte Qualitätssicherung in der additiven Prozesskette hemmt die industrielle Anwendung und Skalierung dieses Verfahrens in den Unternehmen.
Prozessspezifische Standards und Leitfäden sind nur bedingt aus anderen Fertigungsverfahren für die additive Fertigung adaptierbar und damit nicht etabliert. Dies führt zu nicht einheitlichen und nicht unternehmensübergreifend vergleichbaren Qualitätsstandards für Materialien, Prozesse und Bauteile der additiven Materialextrusion. Außerdem gibt es kein einheitliches Verständnis davon, welche Qualitätsmerkmale den größten Einfluss auf die Bauteilqualität haben und welche Prüfverfahren zur Messung dieser geeignet sind.
Um diese Hemmnisse zu überwinden, haben das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA und der Lehrstuhl Umweltgerechte Produktionstechnik der Universität Bayreuth den Anwenderleitfaden „Qualitätssicherung in der additiven Materialextrusion“ verfasst. Darin sind Handlungsempfehlungen zur qualitativen und quantitativen Bestimmung der Qualität eines additiv gefertigten Bauteils zusammengestellt, die bei der Planung, Fertigung und Kontrolle in der additiven Prozesskette von Bedeutung sein können.
Außerdem beschreibt der Leitfaden, welche Teilprozesse entlang der Prozesskette einen relevanten Einfluss auf die Bauteilqualität und Reproduzierbarkeit haben. Sie bilden die Basis für ein universell anwendbares Vorgehensmodell zur Beurteilung der Bauteilqualität, das neben der Erfassung der Bauteilqualität auch den Qualitätssicherungsprozess umfasst. Um die Vergleichbarkeit von Bauteilen sicherzustellen, haben die Experten ein Güteklassensystem entwickelt, das die objektive Quantifizierung der Bauteilqualität ermöglicht.
Hierfür werden bereits existierende Normen und Richtlinien der additiven Fertigung herangezogen, die für MEX geeignet sind. Kern des Vorgehensmodells ist die Evaluierung geeigneter Qualitätsmerkmale und deren Prüfverfahren anhand geeigneter Prüfkörper und Referenzbauteile sowie deren quantitativer und qualitativer Bewertung mittels einer Qualitätsmatrix. Dabei liegt der Fokus auf den Qualitätsmerkmalen Zugfestigkeit, Oberflächenbeschaffenheit und Form-/Maßhaltigkeit. Dieser prozessbezogene Ansatz ist insbesondere in sicherheitsrelevanten Bereichen wie der Luftfahrtindustrie, Medizintechnik oder im Fahrzeugbau Voraussetzung, um eine Zertifizierung und damit Fertigungsaufträge zu erhalten.
Die Anwendung des Leitfadens wurde bei einem Fertigungsdienstleister, einem Materialhersteller und einer Forschungseinrichtung praktisch erprobt und bietet damit einen niedrigschwelligen Zugang zur Qualitätssicherung für die additive Materialextrusion.
„Qualitätssicherung in der additiven Materialextrusion“ ist kostenfrei bestellbar.