Ob Netzregelung und -planung, die Betriebsführung von Photovoltaik-Anlagen und Speichern oder deren Auslegung: Diese und andere Aufgaben verlangen Lastzeitreihen, die den zunehmend dynamischen Verbrauch vieler Haushalte weit genauer abbilden als Standardlastprofile. Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE hat daher mit Partnern im Forschungsprojekt SyLas-KI ein KI-gestütztes Instrument entwickelt, mit dem sich hochaufgelöste synthetische Lastzeitreihen für zahlreiche unterschiedliche Verbraucher erstellen lassen. Sie sind in ihrer Charakteristik nicht von realen Messdaten zu unterscheiden, erfüllen aber alle Anforderungen des Datenschutzes.
„Angesichts der wachsenden Verbreitung von Photovoltaik-Anlagen, Speichern, Wärmepumpen und Wallboxen kommen die Standardlastprofile an ihre Grenzen. Hier setzt unser Forschungsprojekt an: Unsere KI-gestützten Verfahren generieren die nötige Datenbasis für zahlreiche Optimierungs- und Prognoseaufgaben – und das strikt DSGVO-konform. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Transformation des Energiesystems“, erklärt Dominik Jost, Projektleiter am Fraunhofer IEE.
Das Fraunhofer IEE arbeitet bei SyLas-KI mit der Universität Kassel, der Georg-August-Universität Göttingen und dem Unternehmen Green Excellence sowie mit Avacon Netz und Stromnetz Hamburg als assoziierten Partnern zusammen. Das Projekt wird vom Bundesforschungsministerium gefördert.
Die Partner werden einen entwickelten Generator sowie einen Beispieldatensatz interessierten Fachleuten aus Wissenschaft und Industrie kostenfrei zur Verfügung stellen.
Abweichungen durch Lastverschiebung, Photovoltaik und Speicher
Mit dem Umstieg auf Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen nimmt die Zahl flexibler Verbraucher im Energiesystem stark zu. Dynamische Tarife und regulatorische Vorgaben sorgen dafür, dass diese und weitere Lasten mehr und mehr in Zeiten niedriger Strompreise verschoben werden. Zugleich wächst die Zahl der Haushalte mit Photovoltaik-Anlagen rasant. Viele von ihnen ergänzen ihr Solarsystem mit einem Batteriespeicher.
Damit weicht das reale Verbrauchsverhalten dieser Haushalte in der Regel weit von den Standardlastprofilen ab, die derzeit noch etwa für die Netzregelung oder die Betriebsführung von Erneuerbare-Energien-Anlagen verwendet werden. Sie basieren auf aggregierten generischen Verbrauchern – und können daher das zunehmend variable Nutzerverhalten vieler Haushalte nicht angemessen abbilden.
Datenschutz ist gewährleistet
Das Fraunhofer IEE und seine Partner haben deshalb im Projekt SyLas-KI ein Instrument entwickelt, das realistische synthetische Lastzeitreihen für eine Vielzahl unterschiedlicher Haushaltstypen liefert. Die für zahlreiche Aufgaben eingesetzten Prognose- und Optimierungsverfahren erhalten damit eine Datenbasis, die der Dynamik bei den Verbräuchen gerecht wird.
Trainiert wurde der vom SyLas-KI-Team entwickelte Generator unter anderem mit Daten der Datenplattform openMeter, die eine große Anzahl an Messungen des Verbrauchs deutscher Haushalte enthalten. Die auf dieser Datenbasis erzeugten synthetischen Lastzeitreihen ermöglichen keine eindeutige Reidentifizierung einzelner Verbraucher und sind somit DSVGO-konform.
Als technische Grundlage für die Berechnung der Lastzeitreihen dient die neuronale Netzwerkarchitektur: „Wasserstein Generative Adversarial Network“, die verschiedene Einflussfaktoren wie z.B. die Außentemperatur berücksichtigen kann. Um das Verhalten unterschiedlicher Verbraucher akkurat abzubilden, haben die Forscher*innen die relevanten Größen in den realen Messdaten per Selbstklassifizierungsverfahren erfasst. Diese können auch als Eingangsparameter für die Generierung von synthetischen Lastzeitreihen genutzt werden.
Abschließend haben die Expertinnen und Experten die Qualität des Verfahrens am Beispiel einer Netzzustandsschätzung als Use Case überprüft. Anstatt der bisher verwendeten Standardlastprofile wurden synthetische Lastzeitreihen als Input für die KI-gestützte Netzzustandsschätzung verwendet. Hierbei konnte eine deutlich höhere Genauigkeit gegenüber der herkömmlichen Vorgehensweise erzielt werden.
Präsentation der KI-Verfahren in einem Webinar
Die Fortschritte bei der KI bieten großes Potenzial für die Transformation des Energiesystems in Deutschland, ist Dominik Jost vom Fraunhofer IEE überzeugt. „Unser Forschungsprojekt SyLas-KI ist dafür ein gutes Beispiel: Die dort entwickelten KI-basierten Verfahren helfen, die durch Prosumer und Lastverschiebung steigende Komplexität beherrschbar zu machen“, sagt der Forscher.
Das Fraunhofer IEE forscht schon seit mehreren Jahren intensiv zum Einsatz von KI in der Energiewende – unter anderem in dem von der Hessischen Landesregierung geförderten Kompetenzzentrum Kognitive Energiesysteme. Dort untersuchen Expertinnen und Experten in interdisziplinären Teams, wie sich KI und andere Verfahren für die Energiesystemtechnik, die Energiewirtschaft und die Netze nutzbar machen lassen.