Deutsche Arbeitgeber verkennen noch immer das große Arbeitskräftepotenzial Frauen. Diese werden in Hinblick auf Karriere und Kompetenzen weniger gefördert als Männer, wie eine Randstad-Studie zeigt. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels sei Gleichstellung längst kein optionaler Punkt mehr auf der Agenda, so Randstad, sondern dringende wirtschaftliche Notwendigkeit.
Obwohl die Erwerbstätigkeitsquote von Frauen in Deutschland inzwischen laut Statista bei rund 72 Prozent liegt, bleibt die Teilzeitquote hoch: Fast die Hälfte der erwerbstätigen Frauen (47,8 Prozent) hierzulande arbeitet nicht in Vollzeit. Als Ursachen gelten unter anderem der stockende Ausbau von Betreuungsangeboten sowie die steuerliche Subventionierung von traditionellen Rollenverteilungen. Mit Folgen für die Wirtschaft und für die Arbeitnehmerinnen selbst: Die Lohnlücke zwischen Mann und Frau – der sogenannte Gender Pay Gap – beträgt noch immer 18 Prozent (unbereinigt). Und das, obwohl 74 Prozent der deutschen Arbeitnehmenden das Thema gleiche Bezahlung von Mann und Frau wichtig ist, wie das Randstad Arbeitsbarometer zeigt.
Nicht nur bei der Bezahlung, auch bei Karriere und Kompetenzerwerb müssen Frauen Abstriche machen. Dass der Arbeitgeber nie mit ihnen über ihre Entwicklung und Karriere spricht, ist für 40 Prozent der deutschen Arbeitnehmerinnen Realität. Zum Vergleich: Nur 29 Prozent ihrer männlichen Kollegen müssen auf Karrieregespräche verzichten – eine Geschlechterdifferenz von 11 Prozent. „Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern herrschen in Deutschland noch immer deutlich konservativere Rollenbilder vor. Vor allem eine in Vollzeit arbeitende Mutter ist noch immer eher die Ausnahme als die Regel“, erklärt Randstad CSR-Expertin Carlotta Köster-Brons. Teilzeitbeschäftigte würden häufig nicht für Führungsrollen in Betracht gezogen, weil für viele Arbeitgeber eine hohe Präsenzzeit ausschlaggebend ist. Auch dadurch treffe es besonders Frauen, die beim Thema Karriere nicht berücksichtigt werden. Dabei zeigen viele Beispiele, dass Führung auch in Teilzeit hervorragend funktioniert, so die Expertin.
Diese Diskriminierung zeigt sich auch beim Erwerb von Zukunftskompetenzen. Um einen Karrieresprung oder eine bessere Entlohnung zu erreichen, spielen diese eine große Rolle. Das Randstad Arbeitsbarometer zeigt: Auch hier haben Frauen oft das Nachsehen. Denn während 55,3 Prozent der Frauen angeben, von ihren Arbeitgebern nicht bei Weiterbildungen und dem Erwerb von Qualifikationen unterstützt zu werden, sind es bei den männlichen Kollegen nur 49,8 Prozent. „Dabei haben wir die bestausgebildete Frauengeneration aller Zeiten und damit ein Riesenpotenzial für die Wirtschaft“, sagt Carlotta Köster-Brons. „Dieses Potenzial zu ignorieren, bedeutet für Unternehmen, ihre Zukunftsfähigkeit aufs Spiel zu setzen.“
Es brauche eine verbindliche Förderung von Frauen, um Ungleichheiten abzubauen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Zwar könnten Unternehmen nicht strukturelle Defizite der gesetzlichen Rahmenbedingungen ausgleichen, „doch können Arbeitgeber im Rahmen einer Selbstverpflichtung, die sich überprüfbare Ziele setzt, vieles tun, damit Frauen ihr Potenzial für die Wirtschaft entfalten können“. Dazu gehören Angebote für den Aufbau von Netzwerken, gezielte Weiterbildungs- und Karriereangebote, aber auch die Stärkung von Männern in ihren Rollen als Väter, um verkrustete Rollenbilder aufzubrechen und echte Gleichstellung zu unterstützen.
Das Randstad Arbeitsbarometer ist eine Studie, für die seit 2003 Arbeitnehmer in Europa, Asien-Pazifik sowie Nord- und Südamerika befragt werden. Die Befragung wird online unter Arbeitnehmern im Alter von 18 bis 65 Jahren durchgeführt, die mindestens 24 Stunden pro Woche einer bezahlten, nicht selbständigen/freiberuflichen Tätigkeit nachgehen. Die Mindeststichprobengröße beträgt 800 Interviews pro Land.