Risikokommunikation als Pflichtübung?

23 Mai

Die börsennotierten Unternehmen in Deutschland thematisieren in ihren Geschäftsberichten in erster Linie externe Risiken wie Geopolitik und Inflation. Die Vorstände sprechen in den Vorworten vor allem Umfeldfaktoren als Risiken an und gehen deutlich seltener auf Risiken ein, die näher am eigenen Einflussbereich liegen. Das geht aus einer aktuellen Studie der Kommunikationsberatung Crunchtime Communications in Kooperation mit der Universität Hohenheim in Stuttgart hervor, über die risknet.de berichtet. Das gilt allen voran für Cyber-Vorfälle, die nur in 2 von 151 Vorstandsbriefen erwähnt werden. Auf die externen Faktoren Geopolitik (34 Prozent), Inflation (23 Prozent) und Energiekrise (21 Prozent) gehen Vorstände hingegen wesentlich häufiger direkt ein.

„Lange Zeit profitierten deutsche Unternehmen von der Globalisierung, so Frank Brettschneider, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Hohenheim. „Jetzt zeigt sich die Kehrseite der Medaille: Geopolitische Entwicklungen sind das am häufigsten genannte Risiko für das eigene Geschäft.“ Bemerkenswert sei der starke Fokus auf externe und politische Risikofaktoren in den Geschäftsberichten dennoch: Die zwei Top-Risiken Geopolitik und Inflation aus dem Crunchtime Risikomonitor waren noch im Januar im Allianz Risk Barometer, für das unter anderem CEOs und Risikomanager befragt wurden, nicht einmal in den deutschen Top 10 vertreten.

Mit dem starken Fokus auf Geopolitik und Inflation vermitteln Unternehmen den Eindruck, dass sie vor allem Risiken fernab des eigenen Einfluss- und Verantwortungsbereichs ausgesetzt sind, meint Johannes Fischer, geschäftsführender Gesellschafter von Crunchtime. Gerade die Vorstände seien sehr zurückhaltend, Risiken im unmittelbaren eigenen Umfeld zu benennen. Dass nur zwei CEOs der DAX-, MDAX- und SDAX-Unternehmen im Vorstandsbrief auf das allgegenwärtige Cyber-Risiko eingehen, sei auf den ersten Blick überraschend. Denn statistisch gesehen werden jährlich rund 50 Prozent der Unternehmen Opfer von Cyber-Angriffen, die ein erhebliches Risiko für Reputation und Geschäft darstellen.

In den Risikoberichten gehen immerhin 79 Prozent der untersuchten Unternehmen auf Cyber-Vorfälle ein, womit das Cyber-Risiko nur knapp hinter geopolitischen Entwicklungen (83 Prozent) und gleichauf mit der Inflation (79 Prozent) liegt. Auch andere unternehmensnahe Risiken sind selten Thema: In den Risikoberichten rangieren Wettbewerbsdruck (45 Prozent), verändertes Kundenverhalten (45 Prozent) und Fachkräftemangel (42 Prozent) auf den Plätzen 9 bis 11. In den Vorstandsvorworten gehen 6 Prozent auf verändertes Kundenverhalten und 3 Prozent auf den Fachkräftemangel als Risiken ein, Wettbewerbsdruck ist gar kein Vorstandsthema.

Nur gut jedes zweite Unternehmen (51 Prozent) nennt in seinem Risikobericht den Klimawandel als Risiko. Damit liegt der Klimawandel als Unternehmensrisiko auf Rang 7 und nur knapp vor der Corona-Pandemie bzw. der Sorge vor neuen Pandemien (50 Prozent). Im Vorstandvorwort spielt der Klimawandel als Unternehmens- bzw. Geschäftsrisiko so gut wie keine Rolle (1 Prozent).

Risikoberichte wären eine gute Chance zu zeigen, dass ein Unternehmen Risiken aktiv begegnet und auch für den Ernstfall gewappnet ist“, wertet Johannes Fischer. Das geschieht aber kaum. „Viele Unternehmen gehen allenfalls am Rande darauf ein, wie sie mit den Geschäftsrisiken umgehen und sich auf potenzielle Krisen vorbereiten. So entsteht der Eindruck, dass die Risikokommunikation in den Geschäftsberichten eher als zu erfüllende Pflicht betrachtet wird und weniger als Instrument, um Vertrauen bei den Stakeholdern zu schaffen.“
Für die Studie wurden die Vorstandsvorworte und Risikoberichte aus den Geschäftsberichten von 151 der 160 in DAX, MDAX und SDAX gelisteten Unternehmen analysiert.

Quelle