Nachhaltige, klimafreundliche, sozial verantwortliche, gute Unternehmensführung (ESG) ist das Gebot der Stunde. Doch hinken die ESG-Beauftragten in vielen Unternehmen ihren Zielen hinterher. Das ist die Kernaussage der neuen Studie „Licence to Transform – Spencer Stuart’s 2022 Survey of Sustainability Leaders“ des Beratungsunternehmens Spencer Stuart. Für diesen Report – den zweiten seiner Art seit 2016 – haben die Berater weltweit Führungskräfte aus dem Bereich Nachhaltigkeit befragt.
Führungskräfte, die heute noch glauben, ESG sei nur ein Hype, das sich bald erledigt hat, werden in diesem Klima immer seltener. Im Gegenteil, in Deutschland sind Themen wie Nachhaltigkeit und Diversity zunehmend gut im Topmanagement verankert. Das zeigt die Spencer Stuart ESG Studie eindringlich: In 16 der 40 DAX-Unternehmen wird das Thema Nachhaltigkeit demnach vom CEO, vom Chief Human Resources Officer (CHRO), einem CSO oder einem anderen Vorstandsmitglied vertreten. Immer öfter werden Nachhaltigkeitsziele in den KPIs für die Festlegung der Vorstandsvergütung verankert. Auch Nachhaltigkeitsgremien oder -räte auf verschiedenen Ebenen der Unternehmen sind immer verbreiteter.
So haben elf der 40 DAX-Unternehmen im Aufsichtsrat spezielle Sustainability Committees etabliert, die sich ganz dem Thema Nachhaltigkeit widmen oder es in Kombination mit weiteren Aspekten wie Ethik, Diversität, Strategie und Inklusion betrachten. Neben der Berichterstattung steht für Nachhaltigkeitsverantwortliche in Deutschland aktuell die Umsetzung der EU-Taxonomie im Vordergrund, ebenso wie die Prüfung und Einhaltung des Lieferkettengesetzes.
Die gesamte Führungsriege trägt heute die Nachhaltigkeitsstrategien der CSOs mit. Das sagen 94 Prozent der Befragten. 2016 waren es erst 49 Prozent. Neben Umweltthemen spielen für CSOs soziale Aspekte eine immer wichtigere Rolle. 86 Prozent der Befragten führen in diesem Zusammenhang Diversität und Inklusion an, aber auch verantwortliches Verhalten der Lieferanten (76 Prozent). Sagten 2016 noch 43 Prozent der Befragten, dass ihre Verantwortung über reine Umweltthemen hinausgeht, waren es 2022 bereits 78 Prozent der Nachhaltigkeitsverantwortlichen.
Die schlechte Nachricht: Mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Nachhaltigkeitsverantwortlichen gibt zwar an, „sehr ehrgeizig“ bei ihrer Strategieentwicklung zu sein, aber nur 21 Prozent der Befragten sehen sich als „sehr gut positioniert“ an, um diese Strategien auch umzusetzen. 53 Prozent der CSOs haben Teams mit zehn oder weniger Mitarbeitern und nur 35 Prozent gehen davon aus, dass sich diese Zahl im kommenden Jahr erhöht. Was das Budget betrifft, erwarten 80 Prozent eine Steigerung in den kommenden zwei Jahren. Wer die wachsenden Herausforderungen mit einem kleinen Team meistern will, braucht entsprechend qualifizierte Mitstreiter. CSOs nennen vor allem Kenntnisse in der Datenanalyse (45 Prozent), interdisziplinäres Verständnis (38 Prozent) und ein Händchen für Change Management (34 Prozent).
Viele Unternehmen haben sich ambitionierte Ziele für Diversity und Klimaschutz gesetzt, nun gilt es, diesen Anspruch auch Realität werden zu lassen, sonst droht der Vorwurf des „Greenwashing“ von Medien, Investoren, Kunden und Mitarbeitern. Wer hingegen liefert, erzielt Wettbewerbsvorteile, auch das zeigt die Studie. Nachhaltigkeitsstrategien haben eine „deutlich positive Auswirkung“, wenn es um die Rekrutierung neuer Mitarbeiter (40 Prozent) oder die Anbahnung neuer Geschäftskontakte geht (36 Prozent). Bei der Wahrnehmung der Marke und der Sicht der Kunden, sehen 77 Prozent einen „positiven Einfluss“.
Spencer Stuart führte die Umfrage im Sommer 2022 unter führenden Sustainability-Verantwortlichen durch und wertete 95 Antworten aus. Parallel wurden neun Führungskräfte aus dem Bereich Nachhaltigkeit interviewt. Der Großteil der Antworten stammt aus Europa (57 Prozent) und den USA (31 Prozent). Die Befragung, in die auch die Auswertung aktueller Literatur einfloss, wurde zusammen mit Kite Insights durchgeführt.