Im Forschungsprojekt DAIOR arbeitet das Fraunhofer IPA zusammen mit Partnern daran, den Operationssaal der Zukunft mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) und roboterassistierter Telechirurgie zu realisieren. Dabei sollen chirurgische Daten aus multimodalen Quellen mit KI-Methoden kontinuierlich analysiert werden, um Operationen in Echtzeit zu unterstützen.
Daten zu nutzen, um medizinisches Personal bei der Behandlung oder bei der Operation eines Patienten zu unterstützen, ist das Ziel des Projekts DAIOR. Das Akronym ist die Abkürzung für »Distributed Artificial Intelligence for the Operating Room«: Durch die Analyse von Daten, Optimierung von Workflows und die Nutzung von Erfahrungswerten aus früheren Operationen sollen Algorithmen trainiert werden. Auf diese Weise kann KI dem klinischen Personal in Echtzeit und standortunabhängig helfen, die Versorgung der Patienten und Patientinnen zu verbessern. In dem interdisziplinären Konsortium mit Fachkompetenzen aus Medizin und Technik arbeitet das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA zusammen mit dem Institute of Image-Guided Surgery (IHU) in Strasbourg und dem Bosch Digital Innovation Hub (KTBW) am Bosch Health Campus (Stuttgart). Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Lokales Wissen als ortsübergreifende Trainingsdaten für KI-Modell
Die Nutzung medizinischer Daten ist meist auf einen Standort begrenzt. Behandlungen sind standortabhängig, da es im Gesundheitswesen kaum Möglichkeiten zum Datenaustausch gibt. Eine weitere Herausforderung sind die verschiedenen Formate der Daten wie Bilder, Texte und Videos. Diese erschweren es, Zusammenhänge zu erkennen und für die Behandlung von Patientinnen und Patienten zu nutzen. Damit das nicht so bleibt, werden im Projekt DAIOR KI-Modelle mit verteilten Lernansätzen mit dem lokal verfügbaren Wissen trainiert.
»Das Wissen kann so anderweitig verwendet werden, ohne dass sensible Daten den jeweiligen Standort verlassen«, sagt Johannes Horsch, Leiter Medizintechnische Assistenzsysteme am Fraunhofer IPA. So werde verteiltes Wissen gebündelt und ortsunabhängig verfügbar gemacht. »Durch die Methoden des föderalen Lernens können in DAIOR Trainingsdaten aus verschiedenen Standorten, sogar über Ländergrenzen hinweg genutzt werden, während die Daten an den Standorten verbleiben und so gleichzeitig der Schutz für die Daten von Patientinnen und Patienten sichergestellt ist.«
Standortunabhängige Operationen mit roboterassistierter Telechirurgie
Die Zusammenarbeit zwischen Fraunhofer IPA und IHU Strasbourg ist durch das seit dem Jahr 2022 laufende Gemeinschaftsprojekt »5G-OR« bereits erfolgreich etabliert. Die dort implementierte 5G-Infrastruktur wird genutzt, um Operationen aus der Ferne durchzuführen. Für die ortsübergreifende roboterassistierte Telechirurgie wird in DAIOR ein KI-Modell entwickelt, das Verzögerungen in der Datenkommunikation auf beiden Seiten kompensieren kann, indem es die darauffolgenden Schritte voraussagt. »Das funktioniert ähnlich wie unser Gehirn«, erklärt Horsch. »Unser Gehirn berechnet ständig unmittelbar mögliche Szenarien. Genauso agiert auch die KI.« Diese werde kontinuierlich in Echtzeit mit Daten versorgt und sei daher in der Lage, die nächsten Schritte vorherzusagen und Operateurinnen und Operateuren zu assistieren.
Mit dieser roboterassistierten Telechirurgie könnten schon bald Operationen standortunabhängig über das Internet durchgeführt werden. Damit wird es möglich, freie OP-Kapazitäten flexibel zu nutzen: Operationen können schneller durchgeführt und Patienten besser medizinisch versorgt werden. »Das ist ein Meilenstein in der Versorgung von Patienten, besonders in der Notfallmedizin, bei der es oft auf Sekunden ankommt, beispielsweise bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall«, so Horsch. Außerdem kommt den Patienten zugute, dass das klinische Personal mehr Zeit für die Behandlung zur Verfügung hat.