Cobots gegen den Fachkräftemangel

6 Apr

Ein Vorteil der Industrie 5.0 ist, dass Roboter Menschen unterstützen, besser und schneller zu arbeiten. Kollaborative Roboter, kurz Cobots, haben die Hemmschwelle für eine Automatisierung manueller Abläufe drastisch gesenkt, da diese Technologie leicht zugänglich ist und sich direkt neben Mitarbeitern in bestehenden Prozessen einsetzen lässt.

Das führt wiederum dazu, dass sich der Return on Investment bei Cobots leichter darstellen lässt. Ihre vielseitigen Funktionen und Fähigkeiten erlauben es, sie für mehrere Anwendungen einzusetzen und sie zu unterschiedlichen Tageszeiten im Betrieb zu bewegen. Zudem treiben Cobots den Übergang zur Industrie 5.0 weiter voran. Hersteller benötigen nicht länger einen externen Roboterexperten mit Top-Programmierkenntnissen oder einen Spezialisten, der seit vielen Jahren in der Branche tätig ist: Viele Cobot-Anwendungen lassen sich problemlos durch zuvor geschulte eigene Mitarbeiter implementieren.

Wie Cobots die Medtech-Produktion effizienter machen

Die Anforderungen der medizinischen Industrie an eine eindeutige Gerätekennzeichnung (UDI) haben dazu geführt, dass die Nachfrage nach Lösungen zur Teilekennzeichnung signifikant gestiegen ist. Eine Option hierbei sind Lasermarkierungen. Traditionell und manuell würde ein Mitarbeiter die Teile hierbei einzeln in die Markierungsmaschine legen, warten, bis der Markierungsvorgang abgeschlossen ist, und die Teile dann herausnehmen. Da Aufgaben wie diese aber keine besonderen Fähigkeiten erfordern, sind Cobots eine gute Alternative.

Wird ein Cobot an einen derartigen Lasermarkierer herangefahren, sucht er nach einem Orientierungs- oder Referenzpunkt, der ein Verständnis des 3D-Raums vermittelt. Er kann auf den Bildschirm des Lasermarkierers oder die Kontrollleuchten schauen, um den Status zu bestimmen. Ist die Maschine bereit, öffnet der Roboter die Tür des Lasermarkierers, um die Komponenten einzufügen und die visuellen Hinweise des Bedieners zu überwachen. Ist der Vorgang abgeschlossen, öffnet der Cobot abermals die Tür, nimmt die Bauteile heraus und legt sie auf dem Gestell ab. Die Arbeitsweise des Roboters ähnelt der des menschlichen Bedieners, da er die visuellen Hinweise zum Öffnen von Türen und Drücken von Tasten versteht.

Wie Cobots Inspektions- und Kontrollabläufe verbessern 

Eine sich immer wiederholende und banal erscheinende (aber dennoch sehr wichtige) Aufgabe bei der Herstellung medizinischer Geräte ist die Teileprüfung. Für menschliche Arbeitskräfte kann es sehr schwierig sein, sich stundenlang auf ein und dasselbe Teil konzentrieren und dabei immer wieder Kratzer oder andere Fehler finden zu müssen. Doch das ist für eine präzise und verlässliche Herstellung essenziell. Oft lassen Medtech-Unternehmen ein und dasselbe Teil deshalb mehrfach und von verschiedenen Mitarbeitern prüfen, um sicherzustellen, dass auch wirklich alle Fehler und Ungenauigkeiten erfasst werden.

Cobots lassen sich auf verschiedene Weise für derartige Prüfaufgaben einsetzen. Zum einen kann die im Roboter integrierte Kamera oder die Kamera eines Drittanbieters am Roboterarm verwendet werden, um Teile aus verschiedenen Blickwinkeln und bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen zu betrachten, damit sie keine Fehler aufweisen. Alternativ kann ein Cobot das Teil aufnehmen, es vor eine fest installierte Kamera halten und bewegen, um so nach Fehlern zu suchen. Im Gegensatz zu menschlichen Mitarbeitern kann sich ein Cobot viele Stunden lang, immer gleich schnell und gleich gut auf ein und dieselbe Aufgabe konzentrieren.

In der Vergangenheit wurden Qualitätskontrollen stets manuell von Menschen durchgeführt: Mitarbeiter sahen sich ein Teil an und kontrollierten, ob es ordnungsgemäß hergestellt, frei von Kratzern und mit den richtigen Etiketten nebst passender Kennzeichnung versehen war. Sie konnten auch nachmessen, um Maße zu überprüfen. Maschinelle Bildverarbeitung ermöglicht es heute, Teile der Sichtprüfung zu automatisieren. Durch derartige Technologien können Hersteller auch Aufzeichnungen und Bilder von jedem geprüften Teil festhalten und speichern.

Integrierte Bildverarbeitungsfunktionen ermöglichen es Cobots, ähnlich zu agieren wie ein versierter Facharbeiter, allerdings mit einem höheren Grad an Wiederholbarkeit. Ein Cobot folgt einer sehr präzisen Abfolge. Bei jeder Anwendung werden Tausende von Datenpunkten entlang der Kante eines Bauteils gemessen. Diese Genauigkeit wäre ohne die Wiederholbarkeit und Bewegungsfähigkeiten eines Roboters kaum zu bewerkstelligen.

Soll ein Ablage-Tray mit Produkten geprüft werden, benötigen Hersteller entweder mehrere Kameras oder eine Kamera mit sehr hoher Auflösung. Setzen sie stattdessen auf Cobots, können sie jede einzelne Komponente auf der Ablage genau in Augenschein nehmen, um so detaillierte Informationen zu erhalten und beurteilen zu können, ob ein Teil beanstandungsfrei ist oder nicht. Ein Cobot kann auch einzelne Teile aufnehmen und sie einer festen Kamera präsentieren, um die Qualität aus allen Blickwinkeln zu prüfen.

Wie Cobots helfen, den Fachkräftemangel anzugehen 

Der Fachkräftemangel ist viel mehr als fehlende Mitarbeiter in der Produktion. Hochqualifizierte Fachkräfte sind derzeit nicht nur sehr schwer zu finden, sondern oft auch sehr teuer. Mit ein wenig Schulung können sich Mitarbeiter, die mit den Cobots arbeiten und die die Fertigungsanforderungen am besten verstehen um Programmierveränderungen kümmern.

Eines der größten Probleme, das mit dem Fachkräftemangel einhergeht, ist es, den Einsatz vorhandener Mitarbeiter zu optimieren. Transportieren sie lediglich Rohstoffe von einem Produktionsbereich zu einem anderen oder bewegen sie unfertige Produkte zwischen verschiedenen Stationen, können sie sich nicht um wertschöpfendere Aufgaben kümmern. Das bedeutet: Diese Arbeitskräfte erbringen keinen wirklichen Mehrwert für das herzustellende Gerät. Übernimmt stattdessen ein Cobot diese Aufgaben, können Hersteller ihr Team entlasten, sodass sich Mitarbeiter auf wichtigere Aufgaben konzentrieren können, die besondere Fähigkeiten und menschliches Eingreifen erfordern.

Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz Autonomer Mobiler Roboter (AMR). Diese selbstfahrenden mobilen Roboter können Rohmaterial vom Lager zur Produktionslinie bringen, Teile zwischen Arbeitszellen bewegen und fertige Produkte zu den Verpackungs- und Etikettierbereichen liefern. Da sie über eine interne Karte der Produktionsanlage verfügen, müssen sie sich nicht an eine vorgegebene Route halten. Stattdessen können sie sich eigenständig zu einem bestimmten Ort lotsen, um zeitkritische Transporte zu erledigen.

AMRs gibt es in verschiedenen Größen. Sie transportieren recht geringe Nutzlasten wie 60 Kilogramm, aber auch 1.500 Kilogramm und mehr. Sie gelten als kollaborativ, weil sie gemeinsam mit Menschen und um Menschen herum arbeiten und keine speziellen Fahrspuren benötigen. Wann immer also eine Person einen Wagen durch eine Produktionsanlage schiebt, gibt es die Möglichkeit, stattdessen auf AMR zu setzen und so die Qualifizierung des Mitarbeiters besser zu nutzen. Er oder sie kann eine Aufgabe übernehmen, die kritisches Denken oder zwischenmenschliche Fähigkeiten erfordert.

Cobots ermöglichen es, die Mitarbeiterzahl in kleinen Arbeitsbereichen zu reduzieren. Sie können weniger redundante Aufgaben erledigen, die größere Geschicklichkeit oder geistige Flexibilität voraussetzen. Gleichzeitig können sie die von den Cobots ausgeführten Arbeiten effektiv überwachen.

Cobots sind nicht nur einfach zu bedienen, sie lassen sich auch verhältnismäßig leicht handhaben. Es braucht nur eine Woche Training, um Bediener in die Lage zu versetzen, Feinabstimmungen für Entnahmepunkte sowie Produktgrößen vorzunehmen und sogar ein paar grundlegende Entscheidungen zu treffen. Wer das Wissen der Person, die früher in der Zelle gearbeitet hat, nutzen kann, um sicherzustellen, dass die Cobot-Zelle optimal läuft, kann sich Informationen zunutze machen, die nur durch praktische Erfahrungen möglich sind.

Vorteile der Cobot-Integration in Produktionsabläufe

In der Medtech-Industrie werden viele kleine und empfindliche Teilkomponenten hergestellt, deren Handling für eine lange Lebensdauer der Geräte entscheidend ist. Werden diese Teilkomponenten unsachgemäß eingebaut oder gehandhabt, kann das zu schwerwiegenden Problemen führen. Die meisten Roboter zeichnen sich durch inhärente Wiederholbarkeit und Zuverlässigkeit aus. Sie können dazu beitragen, eine sehr stabile und verlässliche Lösung für das Handling und den Transport empfindlicher Teile mit integrierter Bildverarbeitung, Sensoren und anderen zusätzlichen Werkzeugen zu schaffen.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass einige Aufgaben im Produktionsprozess von Bauteilen sehr mühsam sind. Das kann bei Herstellern zu einer höheren Fluktuationsrate bei den Mitarbeitern führen. Cobots tragen nicht nur dazu bei, mit einer unsachgemäßen Qualitätsprüfung verbundene Kosten zu senken, sondern auch Schulungskosten für neue Mitarbeiter sowie Folgekosten für alle neu eingestellten Mitarbeiter zu reduzieren.

Quelle Omron