24 Staaten – darunter Deutschland – haben es versäumt, die EU-Whistleblower-Richtlinie EU 2019/1937 bis zum 17.12.2021 fristgerecht in nationales Recht umzusetzen. Deshalb haben sie jetzt sog. „blaue Briefe“ aus Brüssel erhalten. Ganz unabhängig davon, was die neue Bundesregierung unternimmt, um das EU-Recht schnellstmöglich umzusetzen: die deutschen Unternehmen sind jetzt schon im Risiko.
Nach der Whistleblower-Richtlinie müssen Unternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitern (ab 17.12.2023 mit mehr als 50 Mitarbeitern) ein Hinweisgebersystem im Unternehmen vorhalten. Außerdem müssen sie dafür Sorge tragen, dass Hinweisgebern keine Repressalien infolge ihrer Meldung drohen. Diese Regelungen sind bis zur Umsetzung in nationales Recht keinesfalls unwirksam. Grundsätzlich sind juristische Personen mit mehr als 50 Mitarbeitern (ab 2023, derzeit mit mehr als 249 Mitarbeitern) sowie Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern verpflichtet, ein internes Hinweisgebersystem bereitzustellen und einen speziellen Ansprechpartner für die Entgegennahmen zu benennen.
Ebenso hat der Arbeitgeber Hinweisgeber vor Repressalien (wie Kündigung, Versagung der Beförderung, Mobbing u.ä.) zu schützen. Bereits jetzt kann Hinweisgebern im Einzelfall der direkte Weg einer Meldung an öffentliche Stellen offenstehen, wenn entsprechende interne Hinweisgebersysteme noch nicht zur Verfügung stehen. Zugleich könnten sich die Schutzpflichten des Arbeitgebers, den Hinweisgeber zu schützen, schon jetzt bei der (gerichtlichen) Auslegung von arbeitsvertraglichen Nebenpflichten heranziehen lassen.
Für Unternehmen, die kein (hinreichendes) Hinweisgebersystem eingerichtet haben, besteht nach Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie in deutsches Recht das Risiko, dass Hinweisgeber sich direkt an externe Meldestellen, schlimmstenfalls an die Öffentlichkeit, wenden. Das jeweilige Unternehmen verliert damit die Möglichkeit, den Sachverhalt zunächst intern zu erörtern. Auch Reputationsschäden können dann nicht mehr ausgeschlossen werden.