Im Juli 2023 hat die EU-Kommission einen Vorschlag zur Überarbeitung der mehr als 20 Jahre alten EU-Altfahrzeug-Richtlinie veröffentlicht. Ein aktuelles Paper des Wuppertal Instituts in Kooperation mit IN4climate.RR benennt vor diesem Hintergrund Schwachstellen und blinde Flecken im aktuellen System – und enthält Vorschläge für eine bessere Verwertung von Altfahrzeugen.
Die Forschenden machen in dem Papier „Die Verwertung von Altfahrzeugen in Deutschland – Status Quo, Herausforderungen und Potentiale im Hinblick auf eine effizientere Kreislaufwirtschaft in Deutschland und dem Rheinischen Revier“ im ersten Schritt deutlich, wo die Probleme der bestehenden Verwertungsstrukturen in Deutschland liegen: So werden knapp vier von fünf Altfahrzeugen exportiert, statt in die heimische Verwertung zu gehen. Eine Weiternutzung sei zwar begrüßenswert – allerdings ist nicht klar, was mit den ausgedienten Fahrzeugen im Ausland passiert. In jedem Fall gehen mit dem Export signifikante Mengen an Sekundärrohstoffen für eine Verwertung in Deutschland verloren. Damit steigt der Bedarf nach energieintensiver Primärproduktion und die Abhängigkeit von globalen Lieferketten, insbesondere auch bei kritischen Rohstoffen.
Ein weiteres Problem: Bis zu 40 Prozent der Altfahrzeuge landen jedes Jahr in illegalen Verwertungsbetrieben, die in Konkurrenz zu den anerkannten Demontagebetrieben stehen. Und selbst wenn die Autos den rechtlich vorgeschriebenen Entsorgungsstrukturen zugeführt werden, bestehen weitere Defizite: Fehlende Wirtschaftlichkeit bei der intensiven Demontage von Altfahrzeugen, hoher Aufwand bei der Rückgewinnung kritischer Rohstoffe oder kontraproduktive finanzielle Anreize durch Schredderbetriebe verhindern nicht nur eine qualitativ und quantitativ bessere Verwertung – sie hemmen auch die Bildung größerer Demontagebetriebe mit entsprechenden Skaleneffekten. Das Resultat: Nur etwa zehn Prozent des Fahrzeuggewichts werden demontiert, der Rest wird in Schredderbetrieben zerkleinert.
Der daraus resultierende Stoffstrommix enthält bedeutende Mengen an verwertbaren Materialien, wie Gummi, Kunststoffe und Glas, die überwiegend als Ersatzbrennstoff in Zementwerke oder in Müllverbrennungsanlagen gehen. Auch die im Schredder vermischten Metalle lassen sich aufgrund der verschiedenen Legierungen häufig nur downcyceln – und wertvolle Edel- und Sondermetalle werden, nicht zuletzt wegen fehlender Vorgaben, gewöhnlich nicht gezielt zurückgewonnen.
Die Forschenden skizzieren in ihrem Paper verschiedene Lösungsansätze für die identifizierten Schwachstellen und diskutieren deren Vor- und Nachteile:
- Vertiefung der gegenwärtigen Demontagestruktur, um durch die Einführung digitaler Produktpässe und mehr Kooperation über die gesamte Wertschöpfungskette eine effektivere Verwertung zu ermöglichen.
- Schaffung herstellerspezifischer Demontagestrukturen, bei denen die OEMs ihre eigenen Fahrzeuge zurücknehmen und demontieren.
- Implementierung einer verbesserten Schreddertechnologie, die hochwertiges Recycling einzelner Stoffströme ermöglicht – entsprechende Anlagen sind zum Teil bereits in Betrieb.
- Errichtung von Fahrzeugverwertungs-Fabriken, in denen Altfahrzeuge in hoher Stückzahl weitgehend automatisiert zerlegt und nach Möglichkeit in sortenreine Stoffströme sortiert werden.
„Die Anpassung des regulatorischen Rahmens und politische Flankierung können bei der Realisierung all dieser Lösungsansätze helfen. Deshalb kommt es nun maßgeblich auf die konkrete Umsetzung des umfangreichen Maßnahmenpakets an, das von der EU-Kommission vorgeschlagen wurde“, erklärt Alexander Scholz, Researcher im Forschungsbereich Systeme und Infrastrukturen am Wuppertal Institut und Mit-Autor des Papers.
„Die Voraussetzungen sehen gut aus“, ergänzt Silvia Proff, Junior Researcherin im Forschungsbereich Stoffkreisläufe am Wuppertal Institut: „Durch die Einführung des digitalen Produktpasses und das verstärkt zirkuläre Design der Produkte unterstützt der EU-Vorschlag beispielsweise den von uns skizzierten Lösungsansatz zum Ausbau der aktuellen Demontagestrukturen.“ Darüber hinaus würden durch die Vorgabe von Recyclingquoten bessere Absatzmärkte für recycelte Materialien geschaffen und ein strengeres Nachhalten der Verwertungsnachweise könne sowohl die illegale Verwertung als auch den illegalen Export von Altfahrzeugen reduzieren.