Längere Arbeitszeiten verschärfen Arbeitsmarktprobleme

2 Sep

Pauschale Verlängerungen von wöchentlichen oder von Lebensarbeitszeiten können Engpässe bei Fachkräften verschärfen und sind deshalb nicht geeignet, Arbeitsmarktprobleme durch den demografischen Wandel zu reduzieren und die Sozialkassen zu stabilisieren. Zu diesem Ergebnis kommt die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung in einer neuen Analyse der aktuellen Forschung. Entscheidender sei es vielmehr, flexible Arbeitsmodelle anzubieten und die Gesundheitsprävention am Arbeitsplatz zu stärken.

Angesichts stark verdichteter Arbeitsabläufe und erheblicher Belastungen an vielen Arbeitsplätzen drohen bei noch längeren Arbeitszeiten geringere Produktivität, vermehrte Leistungsreduzierung oder sogar Arbeitsausfall, etwa durch Unfälle oder Stress-assoziierte Erkrankungen, die wiederum zu höheren Sozialausgaben führen. Andere Beschäftigte wechseln in Teilzeit, was etwa in der Pflege längst zu beobachten ist und dort den Fachkräftemangel vergrößert. Für Mütter würden sich die Probleme verschärfen, Erwerbs- und Familienarbeit zu vereinbaren, was ebenfalls zur Reduzierung der vereinbarten Arbeitszeit oder Rückzug aus der Berufstätigkeit führen.

Die Befunde zeigen eine fatale Wirkung einer generellen Verlängerung von Arbeitszeiten auch für Sozialversicherungen auf. Überlange Arbeitszeiten erschweren Zugänge zu sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und provozieren einen höheren Drop-out, z. B. aus Gründen des Verschleißes oder aus Vereinbarkeitsproblemen. Das vermindert Sozialkassenbeiträge.
Verlängerte Arbeitszeiten stellen darüber hinaus eine Hürde für die Verwirklichung von Kinderwünschen und zur Wahrnehmung von Sorgearbeit dar, betonen Eike Windscheid und Yvonne Lott, die Autorinnen der Studie. Gerade jüngere Eltern wünschen sich kürzere Arbeitszeiten, um Erwerbs- und Familienarbeit möglichst gleichberechtigt unter einen Hut zu bekommen.

Die vermeintlich simple Gleichung: „Längere Arbeitszeiten sorgen für höhere wirtschaftliche Leistung und mehr Geld in den Sozialkassen“ funktioniert so nicht, zeigen die Forschenden anhand einer Reihe von Befunden aus Medizin und Arbeitswissenschaft. Die empirische Evidenz spreche für flexible Arbeitszeitmodelle.

Eine erfolgreiche Fachkräftesicherung erfordere eine Gesamtstrategie, in der die Aktivierung bestehender Fachkräftepotenziale eine Hauptrolle spiele. Arbeitszeitmodelle wie sogenannte Wahlarbeitszeiten können auch Erwerbsarbeit für Väter und Mütter kleiner Kinder und für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer attraktiver machen.

Wichtig für die Vermeidung von Personalengpässen ist es, die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen und Arbeitsplätze alternsgerecht zu gestalten. Ein wichtiges Instrument dafür ist die flächendeckende Umsetzung von Gefährdungsbeurteilungen, die arbeitsbezogene Belastungen identifizieren können und sie bearbeitbar machen. Als Basis dafür gehe es um die Stabilisierung von Sozialkassen dadurch, dass alle Erwerbstätigen einzahlen, wodurch auch sozialer Ungleichheiten entschärft und zu insgesamt höheren Rentenzahlungen möglich würden.

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