Medizin: Ein Drittel der Behandlungszwischenfälle vermeidbar

8 Aug

Bei fünf bis zehn Prozent aller behandelten Patientinnen und Patienten in Deutschland treten „Unerwünschte Ereignisse“ innerhalb der Behandlung auf – mehr als ein Drittel davon ist vermeidbar, so die Zahlen aus dem aktuellen Weißbuch der Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. (APS). Von echten Behandlungsfehlern wird in einem Prozent der Fälle gesprochen.

Auf der jährlichen Fachkonferenz des Aktionsbündnis Patientensicherheit, der APS-Jahrestagung, kamen Fachleute rund um das Thema Patientensicherheit zusammen und tauschten sich über Neues rund um Patientensicherheit, Erforschung, Entwicklung und Verbreitung dazu geeigneter Methoden aus. Medizinische Fehler liegen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf Platz acht der Todesursachenstatistik. Ingo Härtel aus dem Bundesgesundheitsministerium zitiert in seinem Beitrag zum Buch „Risiko- und Sicherheitskultur im Gesundheitswesen“ eine Studie der OECD: 15 Prozent aller Krankenhausausgaben sind eine direkte Folge Unerwünschter Ereignisse, die Größenordnung liegt bei 48 Milliarden € pro Jahr.

Ein Team der TU München berichtete über Fehler in der Neurochirurgie – mit dem Willen, darüber aufzuklären, was getan werden muss, um Fehler zu vermeiden. Trotz Richtlinie zur Nutzung werden in Kliniken hierzulande Fehlermeldesysteme wie das CIRS (Critical Incident Reporting System) nicht umfassend genutzt oder Ergebnisse nicht ausgewertet. Unerwünschte Ereignisse sind nur unzureichend erfasst. Damit fehlt die Möglichkeit, Systemmängel und Prozessmängel zu objektivieren und die Chance, Verbesserungen abzuleiten wird vertan.

Wie in Großbritannien Sicherheitskultur gelebt wird, zeigte das dortige Gesundheitsministerium Anfang dieses Jahres vorbildhaft. Im britischen Gesundheitssystem werden jährlich knapp 8.000 Fehler in Hausarztpraxen verzeichnet, aus denen Rückschlüsse zum Ausbau der Patientensicherheit gezogen werden. Großbritannien macht Patientensicherheit transparent. Im Zuge dieser Transparenz wurden auch Zahlen aus Geburtskliniken veröffentlicht. 2017 gab die britische Regierung eine Untersuchung zu 1.592 Vorfällen in Auftrag. Demnach starben in mehreren Geburtshilfestationen innerhalb von zwei Jahrzehnten 201 Babys, die bei richtiger Versorgung hätten überleben können. Bei anderen Neugeborenen wurden Schädelfrakturen, andere Knochenbrüche sowie Hirnschäden wegen Sauerstoffmangels während der Geburt festgestellt.

Das deutsche Gesundheitswesen geht nicht so offen und transparent mit Fehlern um und nimmt sich damit der Chance, diese Fehler genauer zu betrachten und aus ihnen zu lernen. Im Wesentlichen gehe es darum, erklärt das AS, ehrlich über Fehler und mögliche Schäden zu sprechen und vermeidbare Unerwünschte Ereignisse von unvermeidbaren Ereignissen zu trennen. International sind diese bekannt als Never Events und in Deutschland definiert als „Schwerwiegende Ereignisse, die wir sicher Verhindern wollen“ (=SEVer-Liste). Die Liste umfasst insgesamt 22 schwerwiegende Vorkommnisse, die im Krankenhaus, aber auch in anderen Gesundheitseinrichtungen auftreten können. Die vollständige Liste samt Erläuterungen ist hier abrufbar.

Eine fehlerfreie medizinische Versorgung könne es nicht geben, betont das Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. (APS). Es entwickelt Maßnahmen, um Fehler zu vermeiden und fördert mit Projekten die Nutzung von Methoden und Instrumenten, damit im Gesundheitssystem präventiv agiert wird.

Quelle

Download des Weißbuchs