Vier von fünf offene Stellen in der Pflegebranche bleiben unbesetzt, weil es kein ausreichend qualifiziertes Personal gibt. Dies zeigen Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) und von ETL ADVISION, die im erstmals herausgegebenen ETL ADVISION „Fachkräftekompass Pflege“ veröffentlicht wurden. Mit der Analyse veröffentlicht die auf das Gesundheitswesen spezialisierte Steuerberatungsgruppe einen Empfehlungskatalog für Arbeitgeber, der Möglichkeiten zur Neujustierung von Unternehmensstrukturen im Sinne der Fachkräfte-Gewinnung aufzeigt.
Seit 2010 ist die Zahl der offenen Stellen von 40.000 auf über 60.000 gestiegen, was einer Zunahme von über 50 Prozent entspricht. Die Zahl der auf dem Arbeitsmarkt verfügbaren qualifizierten Pflegekräfte ist mit 45.596 seit 2010 um rund 13 Prozent gesunken. Von den arbeitslosen Pflegekräften haben 81,2 Prozent keine Berufsausbildung abgeschlossen, während 76,6 Prozent der Stellenausschreibungen mindestens eine Qualifikation als Fachkraft fordern. „Der Fachkräftemangel wird sich weiter verschärfen, wenn in den nächsten 5 Jahren rund 170.000 Beschäftigte das Renteneintrittsalter erreichen und den Arbeitsmarkt verlassen“, erklärt Janine Peine, Steuerberaterin und Branchenleitung von ETL ADVISION.
In keinem Bundesland können alle freien Fachkraft-Stellen mit qualifiziertem Pflegepersonal besetzt werden, so Janine Peine. Deutschlandweit liege der Anteil an offenen Fachkraftstellen, für die es keine qualifizierten Arbeitslosen gibt, bei 81,4 Prozent. Somit konnten 2021 etwa vier von fünf offenen Fachkraft-Stellen nicht qualifiziert besetzt werden. In bevölkerungsstarken Regionen wie Hamburg oder Berlin waren es 54,5 Prozent bzw. 66,0 Prozent, in den bevölkerungsärmeren Regionen Niedersachsen, Bayern und Brandenburg jeweils über 87 Prozent.
Höhere Löhne und eine insgesamt größere Wertschätzung der Beschäftigten sind wichtige Stellschrauben. Ein Hauptaspekt ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Auch persönliche Faktoren beeinflussen immer stärker die Entscheidung, das Pflegeunternehmen zu wechseln oder die Branche zu verlassen. Planungssicherheit, ein gutes Teamklima und ein vertrauensvolles Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis sowie Weiterentwicklungsmöglichkeiten sind wichtig.
Um die einzelnen Unternehmensbereiche zu verbessern und gleichzeitig die Wünsche der Arbeitnehmer zu berücksichtigen, ist ein detailliertes Konzept notwendig. Dieses muss individuell auf die Bedürfnisse der Pflegekräfte und die Möglichkeiten des Pflegeunternehmens abgestimmt werden, betont der „Fachkräftekompass Pflege“. Neben der Analyse der Mitarbeiterzufriedenheit ist das Zusammenspiel der Innen- und Außenwahrnehmung entscheidend für ein erfolgreiches Unternehmenskonzept zur Fachkräfte-Gewinnung. Ein aussagekräftiger Online-Auftritt, die zielgruppenspezifische Suche nach Mitarbeitern und eine enge Zusammenarbeit mit bereits Beschäftigten sind wichtige Ansatzpunkte.
In der Analyse wurden Personal- und Arbeitslosendaten für die Pflegebranche im Zeitraum von 2010 bis 2021 im Bundesländervergleich ausgewertet und die Arbeitgeber- wie auch die Arbeitnehmerperspektive zur aktuellen Fachkräftesituation untersucht. Die ausführliche Analyse mit allen grafischen Visualisierungen, Trendanalysen und Empfehlungen ist hier abrufbar.