Lohnanreizsysteme steigern die Produktivität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Ab einem bestimmten Punkt kann sich variable Vergütung aber auch negativ auf die Gesundheit auswirkt und die Leistung beeinträchtigen. Das zeigen neue Forschungsergebnisse, die in Rubin, dem Wissenschaftsmagazin der RUB, veröffentlicht wurden. Allerdings empfinden nicht alle Menschen Leistungsanreize als belastend.
Eine psychische Erkrankung ist laut Statistik mit großem Abstand der häufigste Grund, warum Menschen berufsunfähig werden (29,65 Prozent). In den vergangenen Jahren haben sie dramatisch zugenommen. Sascha Alavi, Lehrstuhlinhaber am Sales Management Department (SMD), hat gemeinsam mit seiner ehemaligen Doktorandin Kim Linsenmayer und Johannes Habel von der University of Houston nachweisen können, welche negativen Auswirkungen der Druck in Form von leistungsabhängigen Vergütungsmodellen auf die Gesundheit haben kann.
In einem Feldexperiment untersuchte das Forschungsteam ein mittelständisches Unternehmen in Deutschland, das Konsumgüter, Werkzeuge und Dienstleistungen an Kunden aus der Bau- und Automobilbranche verkauft. Über einen Zeitraum von zwölf Monaten begleitete das Team die Umstellung des dortigen Vergütungsmodells von 80 Prozent variabler hin zu 80 Prozent fester Vergütung und werteten dazu die Daten von mehr als 800 Beschäftigten aus. Das Ergebnis ihrer Zeitreihenanalyse: Stärkere Leistungsanreize gehen mit mehr Krankheitstagen einher.
Ein steigender Anteil der variablen Vergütung am Gesamtgehalt wirkt sich zunächst positiv auf die Leistung der Beschäftigten aus. Der Anreiz durch Umsatzprovisionen und Bonuszahlungen motiviere. Die empirischen Daten zeigen jedoch auch, dass mit steigender variabler Vergütung das Stresslevel zunimmt. Vermehrte Krankmeldungen und verminderte Leistungsfähigkeit seien die Folge, erläutert Alavi. Ab einem Anteil der variablen Vergütung von circa 30 Prozent an der Gesamtvergütung steige der Leistungsdruck rapide an und die Leistung nehme ab. „Unsere Daten spiegeln wider, dass Anreizsysteme in Form von variabler Vergütung gesundheitsschädliche Folgen haben können. Sie können für Stress und Unsicherheit sorgen und so Druck erzeugen“, fasst der Forscher zusammen.
In weiteren Studien konnte das Forschungsteam den beobachteten Effekt bestätigen. So ergab eine Umfrage unter 400 Vertriebsmitarbeiterinnen und Vertriebsmitarbeitern unterschiedlicher Unternehmen und Branchen, dass ein Anstieg an variabler Vergütung auch mit einem Anstieg emotionaler Erschöpfungserscheinungen einhergeht. „Ab einem Anteil der variablen Vergütung von etwa 30 Prozent an der Gesamtvergütung gaben die Befragten vermehrt an, unter Erschöpfungssymptomen zu leiden, sich am Ende eines Arbeitstages oder der Arbeitswoche ausgelaugt, ausgebrannt, frustriert oder müde zu fühlen.“
Allerdings empfinden empfinden nicht alle Menschen Leistungsanreize als belastend, manche bleiben davon unberührt. Widerstandsfähiger zeigten sich insbesondere Beschäftigte, die über bestimmte persönliche, mentale und soziale Fähigkeiten oder auch Erfahrungen verfügten. „Der Leistungsdruck macht denen weniger zu schaffen, die beispielsweise in der Vergangenheit recht stetig Leistungen erbracht haben oder über eine langjährige Berufserfahrung verfügen“, erläutert Alavi. Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die eine gute Beziehung zum Vorgesetzten und zum Team pflegen, kämen besser mit einem erhöhten Druck zurecht.