Wertstromanalyse digital

6 Jul

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA digitalisieren zusammen mit dem Stuttgarter Software-Anbieter iFAKT die Wertstromanalyse. Dadurch soll die bewährte Optimierungsmethode mit geringerem Aufwand und nahezu in Echtzeit durchführbar sein.

In Zeiten von Industrie 4.0 und künstlicher Intelligenz wirkt die klassische Wertstromanalyse wie ein Relikt aus längst vergangenen Tagen. Ein externer Dienstleister oder eine interne Planungsingenieurin schreitet mit Klemmbrett und Stoppuhr sämtliche Stationen der Produktion ab, befragt Mitarbeitende und misst, wie lange welcher Arbeitsschritt dauert. Aus diesen Notizen entsteht von Hand eine Gesamtübersicht, die das Zusammenspiel aller Produktionsprozesse auf einem DIN-A3-Blatt darstellt. Denn erst wenn der Ist-Zustand der Produktion bis ins Detail bekannt ist, offenbart sich, an welchen Stellen die Prozesse optimiert werden können.

„Im Grunde ist die Wertstromanalyse nichts weiter als eine Momentaufnahme und die allermeisten Unternehmen betreiben diesen Aufwand allenfalls einmal jährlich“, sagt Markus Böhm von Abteilung Fabrikplanung und Produktionsmanagement am Fraunhofer IPA. Dabei wandelt sich das Produktionssystem im Lauf eines Jahres oft mehrfach: Neue Produkte werden gefertigt, andere Rohstoffe verarbeitet und vielleicht zusätzliche Maschinen angeschafft. Optimierungspotenziale bleiben lange unentdeckt.

Nun entwickelt ein Forschungsteam des Fraunhofer IPA zusammen mit der iFAKT GmbH eine Software, die sämtliche Produktionsdaten aus dem Enterprise-Resource-Planning-System (ERP-System) und anderen verfügbaren Datenquellen automatisiert und echtzeitnah abfragen und übersichtlich darstellen soll. Allerdings sind Datenbanken wie das ERP-System in der Praxis oft ungenau oder unvollständig. Wichtige Daten für die Wertstromanalyse fehlen, weshalb die Forscherinnen und Forscher zusätzlich auch Maschinendaten auswerten und dabei mit heterogenen Schnittstellen kämpfen: inkompatible Hardware, herstellerspezifische Programmiersprachen, unterschiedliche Dateiformate.

Wo es keinen Zugriff auf die Maschinendaten gibt oder sie nicht auslesen werden könne, müssen sie über Sensoren beschafft werden. Das Forschungsteam führt Ortungssensoren an Kleinladungsträgern mit und kann in Echtzeit mitverfolgen, welche Stationen ein Kundenauftrag in der Montage durchläuft und wie lange er dort bearbeitet wird. Alle Vorkommnisse während der Bearbeitungen eines Auftrags sind in der digitalen Wertstromanalyse als sogenannte Datenpunkte repräsentiert.

Aus diesen Datenpunkten berechnen Apps Kennzahlen. Fällt beispielsweise bei einem Prozessschritt eine Maschine aus, so machen diese Apps nicht nur Angaben über den genauen Zeitpunkt und die Dauer der Störung, sondern liefern auch Informationen etwa darüber, wie häufig die betroffene Maschine ausfällt oder zu welchem prozentualen Anteil der Prozess fehlerfrei abläuft. Diese Angaben veranschaulichen die Apps in Form von Tabellen und Diagrammen.

„Es bleibt aber erst einmal Aufgabe eines professionellen Produktionsplaners, die Wertstromanalyse zu interpretieren und geeignete Maßnahmen abzuleiten“, sagt Böhm. Die Apps machen bisher keine Vorschläge. Langfristig könnte die Optimierung der Produktionsprozesse aber auch automatisch von einer Software veranlasst werden.

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