Die Transformation in Richtung Klimaneutralität und die Digitalisierung werden den künftigen Rohstoffbedarf Deutschlands und Europas verändern. Das geht aus einer neuen Studie von KfW Research hervor. Gleichzeitig habe der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine der Welt vor Augen geführt, dass trotz gegenseitiger Abhängigkeiten und wirtschaftlicher Verflechtungen Rohstoffe als politisches Druckmittel eingesetzt werden können.
KfW Research hast sich vor diesem Hintergrund mit den Herausforderungen für die Rohstoffbeschaffung und -sicherung befasst: Bei zahlreichen unverzichtbaren Rohstoffen wie Kupfer, Lithium oder Seltenen Erden besteht eine große Importabhängigkeit. Bei einigen sind sowohl bei Abbau als auch Weiterverarbeitung Länderkonzentrationen zu verzeichnen, die höher sind als bei der Öl- und Gasproduktion. Für die Positionierung europäischer Unternehmen im Bereich strategischer Technologien wie Lithium-Ionen-Batterien oder Solartechnik stellen die hohe Marktmacht Chinas in der Weiterverarbeitung der Rohstoffe, aber auch andere potenzielle Flaschenhälse wie zu geringe Bergbaukapazitäten eine Herausforderung bei der Versorgung und für den Technologiestandort Europa dar.
Die Analyse zeigt: Während die Bedeutung fossiler Energierohstoffe abnimmt, wird die Nachfrage nach Massenmetallen wie Kupfer und Spezialmetallen wie Lithium, Seltenen Erden oder Kobalt stark steigen. Diese mineralischen Rohstoffe stehen im engen Zusammenhang mit dem Ausbau erneuerbarer Energien, der Entwicklung von Antriebstechnologien und Batterien für E-Mobilität sowie Robotik, 3-D Druck und anderen digitalen Technologien
Deutschland und Europa sind in hohem Maße auf den Import von Metallen und einzelnen Industriemineralien angewiesen. Aus der Liste der 30 kritischen Rohstoffe ist die EU nur bei drei Metallen – Strontium, Indium und Hafnium – nicht auf Importe von außerhalb der EU angewiesen. Bei rund einem Dutzend strategisch wichtigen Rohstoffe, zum Beispiel Titan, Wismut und Seltene Erden, liegt die Importabhängigkeit sogar bei 100 Prozent.
Deutschland und Europa stehen dabei zunehmend im Spannungsfeld zweier Tendenzen. Erstens wird die globale Nachfrage drastisch steigen. Zweitens könnte sich die schon jetzt hohe geografische Konzentration der globalen Rohstoffproduktion und -weiterverarbeitung vor dem Hintergrund des gesteigerten Wettbewerbs weiter zuspitzen. Bemerkenswert ist bei vielen Rohstoffen die exponierte Stellung Chinas sowohl beim Rohstoffabbau als auch bei der Weiterverarbeitung. Dies gilt insbesondere für Gallium, Grafit, Wismut, Wolfram und Magnesium.
Auch andere Länder nehmen bei einzelnen Rohstoffen eine herausragende Rolle ein: Die Demokratische Republik Kongo beherbergt etwa 70 Prozent der weltweiten Kobaltförderung und knapp 46 % der global identifizierten Vorkommen. Bei Platin besteht eine hohe Abhängigkeit von Südafrika, bei Lithium von Australien und Chile und bei Niob von Brasilien. Es zeichnet sich bereits ab, dass die Entwicklung der globalen Bergbaukapazitäten nicht mit dem künftigen weltweiten Rohstoffbedarf Schritt hält.
Mit Blick auf die Bedeutung mineralischer Rohstoffe für die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der deutschen und europäischen Wirtschaft haben die EU und Deutschland mit ihren Rohstoffstrategien bereits Akzente für eine höhere Rohstoffsicherheit gesetzt. Jetzt gilt es, die verankerten Maßnahmen zu konkretisieren und in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft zügig umzusetzen. „Für die Lösung sich abzeichnender Rohstoffknappheit für die Transformation sind ein engagiertes Vorantreiben der Kreislaufwirtschaft, ein bewusstes Abwägen der Vor- und Nachteile einer verstärkten Rohstoffgewinnung in Europa, und die Diversifizierung von Rohstoffbezugsquellen durch Ausgestaltung neuer strategischer Allianzen mit rohstoffreichen Ländern unerlässlich.“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW.
Es sei absehbar, dass bei vielen Rohstoffen die hohe Importabhängigkeit bestehen bleibt. Hier gelte es, die Vorteile der globalen Rohstofflieferketten mit Augenmaß zu nutzen. Auch der Aufbau von strategischen Reserven in kritischen Bereichen spiele eine Rolle, was Geld kosten wird. Dieser Abwägung zwischen Kosteneffizienz und einer höheren Versorgungssicherheit müssten sich Politik und Wirtschaft gemeinsam stellen.