Das Thema Nachhaltigkeit ist ganz nach oben auf die Agenda der Unternehmensleitungen gerückt, nachdem bis 2019 die Digitalisierung und dann die Pandemie höchste Priorität gehabt hatten. Das zeigt die Studie „Von Haltung zu Handlung: Wie Deutschlands CEOs ihre Unternehmen auf Nachhaltigkeitskurs bringen“, die das FUTURIST Institute for Sustainable Transformation, das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und die internationale Unternehmensberatung Bain & Company gemeinsam erstellt haben.
Neun von zehn Top-Führungskräften halten die Nachhaltigkeit in den kommenden fünf Jahren für mindestens genauso wichtig wie die Digitalisierung, nahezu die Hälfte erachtet es sogar als bedeutender. Die Studie basiert auf ausführlichen Gesprächen mit mehr als 20 Topmanagerinnen und -managern im Vorfeld der 26. UN-Klimakonferenz in Glasgow. Im Durchschnitt benötigen die Studienteilnehmer noch 14 Jahre, um zumindest ihre eigenen CO2-Emissionen auf eine Nettonull zu reduzieren, zum Teil streben die Unternehmen auch eine Dekarbonisierung der gesamten Wertschöpfungskette an.
Bei der Transformation bereitet den Top-Führungskräften ein Zielkonflikt Kopfzerbrechen: In den Augen von 60 Prozent der Befragten sind Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit noch Gegensätze. Bain-Deutschlandchef Walter Sinn ist jedoch überzeugt, dass sich dieser Konflikt in den kommenden Jahren auflöst: „Etliche Nachhaltigkeitsprojekte gerade im Bereich Umwelt rechnen sich bereits. Und die Wirtschaft steht erst am Anfang der ökologischen Transformation. In Zukunft werden die Kosten für mehr Nachhaltigkeit in vielen Fällen deutlich geringer sein als die Chancen auf zusätzliche Umsätze.“
Mit den bisherigen Fortschritten auf dem Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit geben sich die Studienteilnehmer nicht zufrieden. Auf einer Skala von 1 bis 10 (komplett unzufrieden bis sehr zufrieden) bewerten sie die bisherigen Handlungen in ihrem Unternehmen im Schnitt mit 5,6. Positiver sieht es bei der Haltung und damit der Sensibilität für den anstehenden Wandel aus. Hier liegt der Durchschnittswert bei 7,1.
Der Studie zufolge sind zehn Schritte nötig, wollen Firmen gleich welcher Branche ihre Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit systematisieren. Das Spektrum reicht von der Definition messbarer und ehrgeiziger Ziele über eine schlagkräftige Governance bis hin zur Gewinnung passender Talente und dem Aufbau eines Partnernetzwerks. Derzeit bewegen sich die Unternehmen auf vier Transformationspfaden, die sich durch den Grad der Komplexität und die Abhängigkeit von externen Faktoren unterscheiden. So können etwa Banken und Versicherungen sowie die ITK-Branche ihre langjährige Transformation weitgehend selbstbestimmt vorantreiben. Dagegen sind die Energiewirtschaft und die Luftfahrt in hohem Maße von der Leistung anderer Stakeholder sowie der technologischen Entwicklung abhängig.
Angesichts der zentralen Bedeutung der Transformation übernehmen branchenübergreifend immer mehr CEOs selbst de facto oder formal die Verantwortung für das Ressort Nachhaltigkeit. Sie sehen sich hierbei vor allem als Antreiber, Kommunikatoren und Dirigenten, aber auch als Mahner. Die Dekarbonisierung dürfe nicht zu einer Deindustrialisierung führen, warnten einige Studienteilnehmer.