Qualität im Gesundheitswesen: Deutsche fühlen sich schlecht informiert

25 Mrz

Nach 15 Jahren Qualitätsberichterstattung im deutschen Gesundheitswesen fühlen sich noch immer zwei Drittel der Menschen schlecht über die Leistungen von Arztpraxen, Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen informiert. Gemeinsam mit der Weißen Liste hat die Bertelsmann-Stiftung die bisherigen Bemühungen um Qualitätstransparenz analysiert und Bilanz gezogen.

Die im deutschen Gesundheitswesen seit 15 Jahren betriebene, zum Teil aufwändige Qualitätsberichterstattung scheint ihr Ziel weitgehend zu verfehlen. Laut einer aktuellen Befragung von Kantar Emnid im Auftrag der Bertelsmann Stiftung fühlen sich 64 Prozent bei der Suche nach einer Arztpraxis, einem Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung nicht ausreichend informiert. Das Gefühl der Unsicherheit ist umso größer, je geringer der Bildungsabschluss ist.

Zugleich geben 87 Prozent der Befragten an, dass Einrichtungen der Gesundheitsversorgung gesetzlich dazu verpflichtet werden sollten, ihre Qualitätsdaten offenzulegen. Es klaffe eine große Lücke zwischen dem Informationsbedarf der Bevölkerung und dem, was das Gesundheitssystem derzeit aus sich heraus an Transparenz bietet, so Gesundheitsexperte Stefan Etgeton von der Bertelsmannstiftung. „Die offizielle Qualitätsberichterstattung bleibt deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurück.“

Dieses Fazit steht am Ende einer Bilanz der Qualitätstransparenz im deutschen Gesundheitswesen, welche die Stiftung gemeinsam mit dem Projekt „Weisse Liste“ vorgelegt haben. „Die Ergebnisse der Qualitätssicherung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen scheinen die Menschen mit den bisherigen Mitteln und Wegen kaum zu erreichen. Über die Qualität von Arztpraxen liegen praktisch keine belastbaren Daten vor“, erklärt Uwe Schwenk, Gesundheitsexperte der Stiftung und Geschäftsführer der Weiße Liste gGmbH. „Dabei wäre Vieles, was in anderen Ländern schon üblich ist, auch in Deutschland ohne großen Zusatzaufwand möglich.“

Schon heute ließen sich Abrechnungs- und andere Routinedaten heranziehen, um über medizinische Leistungen und deren Qualität zu informieren. So könnten etwa diejenigen, die eine Knochendichtemessung benötigen, gezielt nach Arztpraxen suchen, die diese Leistung auch anbieten. Dennoch werden solche Möglichkeiten in der Bundesrepublik, anders als in anderen Ländern, bisher nicht konsequent genutzt.

Eine weitere Quelle für Informationen über das Versorgungsgeschehen sind die Patientinnen und Patienten selbst. 82 Prozent der Befragten halten die Erfahrungen, die andere mit einer Arztpraxis, einem Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung gemacht haben, für wichtig, um deren Qualität zu beurteilen. Obwohl die Gesundheitsministerkonferenz schon 2018 eine systematische Erhebung von Patientenerfahrungen in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens gefordert hat, ist bislang so gut wie nichts umgesetzt worden. Auch beim Einsatz von so genannten „Patient Reported Outcome Measures“ (PROM) bleibt Deutschland hinter Ländern wie England und Schweden zurück. Bei PROM-Verfahren berichten Patientinnen und Patienten anhand medizinischer Kriterien selbst, wie eine bestimmte Behandlung gewirkt hat.

Über Umfang und die Beschaffenheit Qualitätsdaten hinaus geht es auch um deren zielgenaue und situationsgerechte Nutzung im Versorgungsalltag. Zentral ist dafür der Informationsbedarf der Patientinnen und Patienten in der jeweiligen Behandlungssituation. 71 Prozent der Befragten erwarten von ihrer Hausarztpraxis Orientierungshilfe, etwa bei der Suche nach einem Krankenhaus. Hierbei ließen sich für die Beurteilung der Versorgungsqualität die Fallzahlen heranziehen, die abbilden, wie oft eine Klinik bestimmte Operationen durchführt.

Digitale Hilfsmittel wie die Praxissoftware oder die elektronische Patientenakte könnten einen schnellen Zugriff auf relevante Informationen in der Sprechstunde ermöglichen. So wünschen sich 67 Prozent der Befragten, dass eine elektronische Patientenakte neben der Dokumentation von Befunden und Therapien auch Qualitätsinformationen zu Gesundheitsanbietern vorhält. Neben der Hausarztpraxis erwarten 62 Prozent der Befragten Orientierungshilfe in Sachen Qualität auch von Krankenkassen oder einer unabhängigen Institution, wie der Stiftung Warentest.

Eine umfassende Qualitätsberichterstattung, die über die nötigen Daten verfügt, könnte ihr Potenzial am besten im Kontext eines digitalen Informations- und Leitsystems für Patientinnen und Patienten entfalten, das die seriösen Transparenzangebote bündelt und sie als festen Bestandteil in Behandlungsabläufe integriert.

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