Vor allem der Automotive-Sektor, die Energiebranche sowie die Stahl- und Metallhersteller leiden unter den Folgen der akuten Nachschubprobleme, die aus Sicht von Marktexperten längst einen hemmenden Einfluss auf die Entwicklung global operierender Unternehmen haben. Diese sind nun dringend gefordert, Produktionsstätten ins eigene Land zu verlagern, die Zahl ihrer Zulieferer zu vergrößern und das Innovationslevel zu erhöhen. Dies geht aus einer von der Managementberatung Atreus initiierten Studie hervor, die im Juni / Juli 600 globale Spitzenführungskräfte aus unterschiedlichsten Branchen und Ländern – befragt hat.
Die Ergebnisse unterstreichen, dass der weltweite Lieferkettenengpass und Teilemangel ein ernstes Problem sind, das ganze Industriezweige in den jeweiligen Ländern vor große Herausforderungen stellt. Rund 70 Prozent der Befragten sehen das so. Rund die Hälfte gibt zudem an, dass die Schwierigkeiten auch ihr Unternehmen in größerem Ausmaß betreffen, während rund 40 Prozent derzeit lediglich einen leichten Einfluss sieht. Gar nicht negativ tangiert ist den Angaben zufolge aber nur ein Zehntel der Studien-Teilnehmer.
Die weiteren Aussichten scheinen düster. So geht fast die Hälfte der Befragten davon aus, dass die Lieferkettenengpässe in ihrem Land noch zwischen 19 und 24 Monaten anhalten dürften. Im ungünstigsten Fall wären das die kommenden zwei Jahre. Fast 30 Prozent geben sogar an, dass die Schwierigkeiten länger als zwei Jahre andauern dürften. Mit Blick auf wichtige europäische Industrienationen wie Deutschland und Italien sehen jeweils über drei Viertel einen erheblichen Einfluss der Krise auf ihre Länder. Dagegen schätzen kleinere Industriestaaten wie etwa Belgien oder Norwegen die Auswirkungen erheblich milder ein.
Neben Preiserhöhungen bei Rohstoffen sowie Mangel an Rohstoffen oder wichtigen Komponenten, die als Hauptgründe für die Lieferkettenengpässe gesehen werden (60 Prozent), zählen auch Chinas rigide Corona-Politik (43 Prozent), der russische Angriff auf die Ukraine (38 Prozent), geringere Transportkapazitäten (27 Prozent) und Kürzungen im Logistik-Bereich im Zuge der Pandemie zu den wichtigsten Faktoren. Hinzu kommen der Wegfall von Arbeitskräften und höhere Energiekosten.
Fast die Hälfte der Befragten befürchtet einen Umsatzeinbruch, 70 Prozent rechnen mit deutlich steigenden Kosten. Zu den weiteren großen Herausforderungen gehören stornierte Aufträge, verlorene Kunden, sinkende Kundenloyalität sowie drohende Gewinneinbrüche im Projektgeschäft. Die Automobilindustrie ist schon stark beeinträchtigt, hier sehen gut zwei Drittel erhebliche Probleme auf sich zukommen. Gleiches gilt für den Energiesektor (60 Prozent), für Transport, Verkehr und Logistik (56 Prozent) sowie das produzierende Gewerbe (42 Prozent). Der negative Einfluss auf das Bank- und Finanzwesen, den Gesundheits-, Dienstleistungs- und IT-Sektor und auch auf die Telekommunikationsbranche dürfte sich in Grenzen halten.
Aus Sicht der Marktexperten muss ein ganzes Bündel an Maßnahmen ergriffen werden. Es gilt nicht nur, die Produktion ins eigene Land zu verlagern und eigene Hersteller und Zulieferer vor Ort zu entwickeln, sondern deren Zahl zu vergrößern und somit die Abhängigkeit zu verringern. Dabei müssen das Innovationslevel erhöht und technische Entwicklungen vorangetrieben werden. Auch das Durchsetzen von Preiserhöhungen, das Ersetzen fehlender Rohstoffe durch andere Ressourcen und die Optimierung des Workflows und der Führungskultur gehören zu den wichtigsten Aufgaben.