Datenschutz setzt Unternehmen unter Dauerdruck

16 Sep

Die Hälfte der Unternehmen sagt, Deutschland übertreibe es mit dem Datenschutz. Zwei Drittel (66 Prozent) sind der Auffassung, dass der strenge Datenschutz sowie die uneinheitliche Auslegung des Datenschutzes in Deutschland die Digitalisierung erschwert. Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von 502 Unternehmen mit 20 oder mehr Beschäftigten in Deutschland im Auftrag des Digitalverbands Bitkom.

Die Anforderungen an den Datenschutz, so die Interpretation des Verbandes, setzen Unternehmen unter Dauerdruck. „Den Unternehmen fehlt es zunehmend an Planbarkeit und Verlässlichkeit“, sagt Susanne Dehmel, Geschäftsleiterin Bitkom. „Unternehmen stehen beim Datenschutz unter permanenten Stress.“ Sie wollten dem Datenschutz Genüge tun, müssten aber dazu europaweit Gerichtsurteile verfolgen, unterschiedliche Auslegungen in den Mitgliedsstaaten kennen und sich mit 18 verschiedenen Lesarten von Datenschutzaufsichten allein in Deutschland auseinandersetzen. Das sei vor allem für kleinere Unternehmen immer schwerer zu stemmen.

42 Prozent der Unternehmen berichten von mehr Aufwand seit der DS-GVO-Einführung, der auch bestehen bleiben wird. Ein weiteres Drittel (32 Prozent) geht sogar davon aus, der Aufwand werde weiter steigen. Nur 19 Prozent erwarten, dass er langsam wieder sinkt, 6 Prozent haben keinen Mehraufwand mehr. Zwei Drittel der Unternehmen (65 Prozent) haben die DSGVO vollständig oder größtenteils umgesetzt, 29 Prozent haben das erst teilweise geschafft und 5 Prozent stehen ganz am Anfang. Bei kleineren Unternehmen (20 bis 99 Beschäftigte) sind 33 Prozent noch nicht so weit.

Als Hauptgrund wird genannt, dass Corona andere Prioritäten erzwungen habe (82 Prozent). Fast ebenso viele (77 Prozent) beklagen, dass sich die DSGVO gar nicht vollständig umsetzen lasse. 61 Prozent fehlt es an personellen Ressourcen. Rund jedes zweite Unternehmen beklagt ständige Anpassungen wegen neuer Urteile und Empfehlungen der Aufsicht (47 Prozent) und notwendige neue Prüfungen von Datentransfers in Länder außerhalb der EU (45 Prozent). „Es fehlt in kleinen Unternehmen häufig an Datenschutz-Expertise, notwendig sind daher konkrete und umsetzbare Handreichungen, etwa durch die Aufsichtsbehörden“, sagt Dehmel.

In den vergangenen Jahren haben die Probleme bei der DS-GVO-Umsetzung deutlich zugenommen. So sagen inzwischen mehr als drei Viertel (78 Prozent) der Unternehmen, dass Rechtsunsicherheit die größte Herausforderung sei, vor zwei Jahren waren es erst 68 Prozent. Zu viele Änderungen bzw. Anpassungen der Vorgaben beklagen 74 Prozent, nach 59 Prozent 2019. Die uneinheitliche Auslegung in der EU behindert 52 Prozent, fehlende finanzielle Ressourcen nennen 37 Prozent, mehr als doppelt so viele wie noch 2019 mit 18 Prozent.

Parallel wächst die Unzufriedenheit mit den Aufsichtsbehörden. So kritisieren zwei Drittel (66 Prozent) mangelnde Umsetzungshilfen, vor zwei Jahren lag der Anteil nur bei 53 Prozent. Auch bei konkreten Fragen erhält nur eine Minderheit Unterstützung. So hat ein Viertel (24 Prozent) dort bereits nach Hilfestellungen für die Umsetzung von Datenschutzvorgaben angefragt, aber keine Antwort erhalten. Ähnlich viele (28 Prozent) haben Antwort bekommen, diese habe aber nicht geholfen. Nur 3 von 10 (29 Prozent) geben an, auf ihre Frage hin auch Hilfestellung erhalten zu haben: 64 Prozent von ihnen in Form von Leitfäden, 32 Prozent mit Einzelberatung, 27 Prozent in einer Gruppenberatung. 31 Prozent waren sehr zufrieden damit, 19 Prozent eher zufrieden. Aber 41 Prozent waren eher nicht und 25 Prozent überhaupt nicht zufrieden.

Die DS-GVO bremst auch Innovationsprojekte in der Wirtschaft. So geben drei Viertel der Unternehmen (76 Prozent) an, Innovationsprojekte seien aufgrund von Vorgaben der DS-GVO gescheitert. In 9 von 10 Unternehmen (86 Prozent) sind Projekte wegen Unklarheiten im Umgang mit der DS-GVO gestoppt worden. Am häufigsten betroffen war der Aufbau von Datenpools (54 Prozent), dahinter folgen Prozessoptimierungen im Bereich der Kundenbetreuung (37 Prozent), Projekte zur Verbesserung der Datennutzung und der Einsatz von Technologien wie KI oder Big Data (je 36 Prozent). In jedem dritten Unternehmen (33 Prozent) war der Einsatz von Cloud-Diensten betroffen.

Ganz oben auf der Liste der Wünsche an die nächste Bundesregierung steht die Forderung nach einer Anpassung der DS-GVO (89 Prozent). Rund zwei Drittel wollen, dass Datenschutzvorgaben europäisch stärker vereinheitlicht (68 Prozent) und die föderalen Gesetze in Deutschland angeglichen werden. Mehrheiten plädieren für eine Abschaffung der Landesdatenschutzbehörden (60 Prozent) und einen besseren Zugang zu Daten der öffentlichen Hand (57 Prozent). 

Grundlage ist eine Telefonumfrage bei der 502 Unternehmen mit 20 und mehr Beschäftigen in Deutschland. Sie ist repräsentativ für die Gesamtwirtschaft.

Quelle