Jedes dritte Energieversorgungsunternehmen hat noch kein Ziel zur Erreichung von Klimaneutralität definiert. 38 Prozent besitzen keinen Fahrplan zur systematischen Reduktion ihrer CO2-Emissionen in Form einer Dekarbonisierungs- beziehungsweise Nachhaltigkeitsstrategie, wie eine aktuelle Horváth-Studie zeigt. Über das Geschäftspotenzial von Wasserstoff, der in „grüner“ Form einen großen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten soll, besteht bei zwei Dritteln der Befragten Unklarheit.
Gründe für die zögerlichen Nachhaltigkeitsaktivitäten sieht Horváth-Partner und Branchenexperte Matthias Deeg in der Unsicherheit der Rahmenbedingungen, aber auch in hausgemachten Problemen: „Unzureichend erprobte neue Technologien, unklare regulatorische Vorgaben, aber auch ein uneinheitliches Bild zwischen Marktanforderungen einerseits und kostenintensiven technologischen Innovationen andererseits sind meist Gründe dafür, dass in den Unternehmen noch keine Ziele stehen.“ In anderen Fällen seien es vor allem aktuelle Herausforderungen, etwa die Marktpreisentwicklungen, der E-Mobility-Hochlauf oder Infrastrukturentwicklung, die in Summe das Kartenhaus ins Wanken bringen.
Gefragt nach den größten internen Problemen, die ein strategisches Vorankommen behindern, antworteten die Befragten mehrheitlich mit „Erhöhung des Digitalisierungsgrades“ sowie „Veränderung der IT-Landschaft“ und „fehlende Kompetenzen“. Den Unternehmen ist also bewusst, dass sie zur Bewertung von Geschäftspotenzialen und zum Ausbau von Geschäftsfeldern datenbasierte Analysen auf Basis moderner Systemplattformen sowie offene Schnittstellen zu Externen benötigen.
Dies ist allerdings nicht die einzige „digitale Baustelle“. Auch im Online-Vertrieb, der nach mehrheitlicher Einschätzung (80 Prozent) bis 2025 zum Hauptvertriebskanal wird, sind viele Unternehmen ungenügend vorbereitet. 60 Prozent verfügen über keine konkrete Strategie zum Ausbau des Onlinevertriebs und eine unzureichende Datenbasis. „Bei aller Marktdynamik – für die Themen Digitalisierung und Dekarbonisierung benötigen die Versorger dringend strategische Leitplanken, um sich zu fokussieren und ihren regionalen Vorteil nicht zu verspielen“, so Deeg.
Für die Horváth-Studie „Strategieentwicklung von Energieversorgern“ wurden Unternehmensverantwortliche aus 80 Versorgungsunternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt. Allein für Deutschland entspricht die Stichprobe einer Marktabdeckung von 70 Prozent.