Lieferkettengesetz: Zwei Drittel der deutschen Unternehmen setzen Anforderungen nicht um?

21 Dez

Das Lieferkettengesetz trat am 1. Januar 2023 in Kraft und verpflichtete Unternehmen mit mehr als 3.000 MitarbeiterInnen zur Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards bei ihren Zulieferern. Ab 1. Januar 2024 gilt dies auch für Unternehmen ab 1.000 MitarbeiterInnen. Eine Studie des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME), über die jetzt die Redaktion rbb24 Recherche berichtete, spricht von riesigen Defiziten. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zieht dagegen eine positive Bilanz.

Nach einer Studie (BME) und des Risikomanagement-Unternehmens Integrity Next GmbH gibt es bei deutschen Unternehmen „erhebliche Defizite“ bei der Umsetzung des Lieferkettengesetzes. Nur 30 Prozent der Großunternehmen wissen danach überhaupt, wie sie Menschenrechtsverstöße bei ihren Zulieferern minimieren sollen. Fast ein Viertel der Unternehmen, die sich seit dem 1. Januar 2023 ans Gesetz halten müssen, haben noch nicht das vorgeschriebene Risikomanagement. Der BME vertritt ca. 10.000 Unternehmen, darunter alle 30 DAX-Konzerne.

Der Präsident des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), Torsten Safarik, zieht dagegen eine positive Bilanz. Die Unternehmen kämen gut mit dem Gesetz klar. 2023 habe das Amt 486 Kontrollen durchgeführt und keinerlei Strafen oder Bußgelder erlassen, bilanziert Safarik im Interview mit rbb24 Recherche. Außerdem habe es 38 Beschwerden beim BAFA gegeben, davon hätten sechs zu Überprüfungen von Unternehmen geführt. Allerdings kontrolliert das BAFA zentrale Anforderungen des Lieferkettengesetzes noch gar nicht – damit startet das Amt Mitte 2024, anderthalb Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes.

Die Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) kritisiert die Arbeit des BAFA: Das Bundesamt gehe viel zu lasch mit den Unternehmen um. Das Gesetz habe bisher den betroffenen Menschen nicht geholfen. ECCHR-Chefjuristin Miriam Saage-Maaß: „Ich befürchte, dass das BAFA den Unternehmen noch zu viel Raum gibt und sagt: So lange Unternehmen überhaupt irgendetwas in Bezug auf Menschenrechte in ihren Lieferketten tun, ist das ausreichend. Aber das Lieferkettengesetz spricht ganz explizit davon, dass es um angemessene Maßnahmen der Abhilfe geht.“

Die Geschäftsführerin des BME, Dr. Helena Melnikov, kritisiert dagegen den bürokratischen Aufwand durch das Gesetz: „In einer Zeit der wirtschaftlichen Stagnation und befürchteten Rezession: Das ist eigentlich ein Zeitpunkt, wo die Firmen erst einmal auf die Weiterentwicklung ihrer Produkte schauen. Und was tun sie stattdessen? Sie befassen sich mit Berichten, sie überprüfen Risiken, sie schulen ihre Lieferanten, sie tragen alle Daten zusammen und bereiten sich für die Dokumentation gegenüber den Kontrollbehörden vor.“

Seit dem 1. Januar 2023 gilt das Lieferkettengesetz in Deutschland. Es verpflichtet Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern, nur mit Zulieferern zu arbeiten, die Sozialstandards und Menschenrechte einhalten. Ab 1. Januar 2024 werden dazu auch Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern verpflichtet. Zudem hat sich die Europäische Union aktuell auf eine strenge Lieferkettenrichtlinie verständigt.

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