„Deformalisierung ist ein Schlüsselthema für ein modernes, neues Qualitätsmanagement.“ So heißt es in einem Impulspapier der DGQ, das heute veröffentlicht wurde. Es liest sich wie ein Frontalangriff auf das etablierte Standardisierung, Auditierungs- und Zertifizierungswesen. Gewisse Regeln und ihre Zusammenfassung in einem formalen Regelsystem seien zwar unverzichtbar für Organisationen. Es zeigten sich aber immer mehr Anzeichen von externer Überreglementierung und -formalisierung. Vielerorts hätten Organisationen den Kipppunkt überschritten, bis zu dem eine Formalisierung qualitätsförderlich gewesen sei.
Konsequenz der DGQ: Das QM müsse sich selbst deformalisieren und der Organisation dabei helfen. Unter Deformalisierung wird der Rückbau überformalisierter Regelsysteme verstanden. Das klassische Qualitätsmanagement sei vor Jahrzehnten für die damaligen Herausforderungen entstanden. Heute gebe es auf dem Hintergrund der technologischen und gesellschaftlichen Umbrüche ganz anders geartete Herausforderungen und ziemlich harte Nüsse zu knacken.
„Durch eine enorme und tendenziell anwachsende Überreglementierung besteht in vielen Organisationen eine ausgeprägte interne Überformalisierung. Sie wird verstärkt durch eine Absicherungsmentalität der Teilregelsystemverantwortlichen, wie Qualitätsmanagement-, Umweltmanagement- oder Datenschutzbeauftragte sowie durch deren oft unzureichende Kooperation. So sehen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter auch die Führungskräfte, überbordenden, dysfunktionalen, bis hin zur Paradoxie widersprüchlichen Regelsystemen und Regeln gegenüber.“
Ausführlich werden die Folgen beschrieben – die größeren und kleineren Regelbrüche und Täuschungen, die als „informale Ausweichbewegung“ gewissermaßen eine Form nützlicher, unerkannter Agilität darstellten, die die Organisation erst prozessual und ökonomisch handlungsfähig mache.
Deshalb müssen sich nach Meinung der Autoren des Papiers die allermeisten Unternehmen und Managementsystemverantwortlichen sich mit der gezielten Deformalisierung ihres Managementsystems befassen. Für Regelgeber, darunter auch QM-Normungsgremien und Akkreditierer, bedeute es, die Dereglementierung anzugehen. Weil sich aber externe Reglementierung und auch interne Erfordernisse in der heutigen volatilen Zeit immer wieder ändern, sei Formalisierung und Deformalisierung kein einmaliger Akt, sondern wird immer wieder erforderlich.
„Eine signifikante interne Deformalisierung anzugehen erfordert ein grundlegendes Hinterfragen der Positionen und typischen Handlungsweisen bisheriger QM-Verantwortlicher und QM-Abteilungen. Die Bedeutung QM-spezifischer Regelwerke wie der ISO 9001 oder ihrer branchenspezifischen Konkretisierungen und Vertiefungen (wie z.B. IATF 16949) ist groß und sie prägen die Wahrnehmung des QM, aber auch seinen Aktivitäts- und Aufgabenfokus.“