Interview mit Dr. Wolfgang Kallmeyer
Interne Systemaudits gehören zum Alltag aller Organisationen, die ein zertifiziertes Managementsystem unterhalten. Dr. Wolfgang Kallmeyer erklärt in seinem Beitrag, auf welchen Grundlagen interne Audits beruhen, welche normativen Regelwerke zu berücksichtigen sind und warum gute Kommunikation bei Audits die halbe Miete sind. QM-aktuell.de hat dem Autor vorab einige Fragen gestellt.
Interne Audits sind keine lästige Pflichtübung mehr, sie werden für die Weiterentwicklung des Unternehmens positiv genutzt. Kann man diesen Bedeutungszuwachs generell feststellen?
Kallmeyer: Da hat sich in den letzten Jahren etwas in die richtige Richtung bewegt. Allerdings gibt es immer noch viele Unternehmen, nicht mehr die Mehrheit, aber eine starke Minderheit, die das interne Audit noch als Alibi-Veranstaltung betreiben. Die meisten Geschäftsführungen sagen heute: Das Audit soll auch einen Profit abwerfen. Das setzt aber voraus, dass sich die Unternehmensleitung bei der Planung engagiert. Sie muss den Fokus bestimmen: Was soll das Audit erreichen? Und sie muss zur Umsetzung dieser Ziele für qualifizierte Auditoren sorgen. Interne Auditoren bleiben, auch wenn sie fachlich qualifiziert sind, nebenberufliche Auditoren. Ihnen fehlt die Erfahrung durch die häufige Wiederholung, und so werden sie die Leistungsfähigkeit von Zertifizierungsauditoren nie erreichen. Schulung und Anleitung kann sie wenigstens in die Nähe dieser Leistung bringen. Dann bringt das interne Audit den Benefit, den man sich erwartet.
Was ändert sich im Ablauf eines Audits, wenn es zur Weiterentwicklung des Unternehmens in wichtigen Bereichen gesetzt wird?
Kallmeyer: Die Fragen werden sich auf die Bereiche konzentrieren, die von der Zielsetzung des Audits vorgegeben sind. Wenn ich zum Beispiel den Einkaufsprozesse im Hinblick auf seine Funktionalität, aber auch auf seine Ergebnisqualität durchleuchten will. Ich darf also nicht fragen, ist der Prozess beschrieben, sondern muss fragen, ob der Einkaufsprozess so beschrieben ist, dass er qualitativ gute Ergebnisse hervorbringt.
Die Unternehmensleitung muss also die Richtung des Audits vorgehen – ausgehend von einer Einschätzung, wo Verbesserungspotenzial existiert?
Kallmeyer: Genau, bei der Auditplanung Ziele setzen bedeutet: Im Zentrum sollten Prozesse stehen, die Leistungsprozesse sind und letztlich dem Unternehmen Geld bringen. Diese wollen wir vorrangig verbessern. Fehlen solche Schwerpunktsetzungen, wird beim Audit nicht viel herauskommen. Ich habe das Beispiel Einkauf gewählt, weil heutzutage die eigene Wertschöpfung der Unternehmen sinkt und der Mehrwert oft zu einem erheblichen Teil durch den Einkauf realisiert wird. In manchen Unternehmen sind das bis zu 80 Prozent der Wertschöpfung, d.h. ob das Unternehmen gut läuft oder nicht, ist hauptsächlich vom Funktionieren des Einkaufsprozesses abhängig. Der Fokus muss vor der Auditplanung festgelegt werden, um mit geeigneten Auditfragen den Prozess durchleuchten und qualitative Verbesserungsmöglichkeiten ermitteln zu können. Bei der Zeitplanung für Audits muss für diese Schwerpunkte die meiste Zeit eingeplant werden, damit die Befragung in die Tiefe gehen kann. Man sollte sein Schwerpunktthema aus der Schiene des Systemaudits heraus bewegen und in Richtung Prozessaudit gehen, wobei man die Stichprobengröße erhöht. Zwei bis drei Prozent Stichprobengröße reichen für ein Systemaudit aus, um systematische Fehler zu erkennen, die gegen Normforderungen verstoßen. Um Verbesserungspotenziale zu ermitteln, muss ich fragen: Wie machst du dieses oder jenes im Einzelnen – etwa einen neuen Lieferanten auswählen? Welche Kriterien gelten, um zu dem Ergebnis zu kommen – das ist ein Lieferant, wie wir ihn für die Zunft wünschen? Oder in welcher Hinsicht müssen wir einen Lieferanten entwickeln, damit er noch besser unseren Anforderungen entspricht? Das ist etwas Anderes als das oberflächliche Auditieren mit der Fragestellung, ob die Norm erfüllt ist oder nicht.
Dazu müssen Sie, wie oben bereits angedeutet, Auditoren haben, die Ziel auch umsetzen können. Wer taugt für das Auditteam und wie bereitet man die ausgewählten Mitarbeiter vor?
Kallmeyer: Wenn ich dort Auditoren hinschicke, die von Einkauf überhaupt keine Ahnung haben, werden auch keine brauchbaren Ergebnisse herauskommen. Ich muss im Auditteam Leute haben, die nicht nur allgemein, sondern im Detail wissen, worauf es im Einkauf ankommt und wie alles funktioniert. Damit die Fachkenntnis zum Tragen kommt, ist ein zweiter Aspekt wichtig: Der gute Auditor besteht zu 50 Prozent aus Kommunikation und auditprofessionellem Verhalten, weil das Wesentliche im Auditgespräch, wie im sonstigen Leben auch, der Aufbau einer persönlichen Beziehung ist. Wenn ich das geschafft habe, wenn also mein Gegenüber den Eindruck hat, es mit einem Menschen zu tun zu haben, mit dem er offen und ehrlich reden kann – erst dann fängt eigentlich ein gutes Audit an. Dazu ist schon die Vorbereitung des Auditgesprächs wichtig: Wie trete ich auf, wie verhalte ich mich, wie ist meine Körperhaltung und meine Mimik, wie kann ich mich auf mein Gegenüber einstellen? Der Auditor muss dazu erkennen, wie der andere tickt und was er ihm zumuten kann. Dem Geschäftsführer kann er komplexere Fragen stellen, beim Maschinenführer oder dem Sachbearbeiter muss er Fragen einfacher und leichter verständlich formulieren. Er muss lange verschachtelte Sätze vermeiden und knapp auf den Punkt formulieren. Genauso kurz und knapp muss er aber auch die Antworten einfordern. Jeder Auditorenlehrgang, der etwas auf sich hält, geht mindestens kurz auf das Richtige Kommunikationsverhalten ein.
Das sind zum Teil Fähigkeiten, die in der Persönlichkeit angelegt sind und sich schwer erlernen lassen. Bei der Auswahl darf die Leitung also nicht nur auf die Fachkenntnisse, sondern muss auch auf die Persönlichkeit schauen?
Kallmeyer: Der Auditor muss ein gewisses psychologisches Grundvermögen haben. Die Persönlichkeit ist außerordentlich wichtig: Ist er ein offener Mensch, kann er sich auf andere Menschen leicht einstellen? Ist er angenehm im Umgang, aber daneben auch zielorientiert. Es wird von anderen Menschen nicht als unangenehm empfunden, wenn jemand stringent seine Fragestellungen vorantreibt. Kurz: Man muss als Auditor den anderen zu nehmen wissen. Ein introvertierter Mensch wird als Auditor eher Probleme haben. Wer die Grundvoraussetzungen mitbringt, lernt am meisten durch die eigene Erfahrung. Da sind wir aber wieder bei der Schwäche des nebenberuflichen Auditors: Um sich nachhaltig weiterzuentwickeln, sind drei, vier oder fünf Audittage im Jahr zu wenig. Deshalb sollten Unternehmen, die von ihren internen Audits profitieren wollen, ihre Auditoren so intensiv wie möglich schulen – nicht nur in puncto Normenwissen, sondern auch durch Kommunikationstrainings. Am effizientesten wäre es, interne Auditoren zu Hospitationen oder Praktika in andere Firmen oder zu Zertifizierern zu schicken. Aber da man durch Audits tiefe Einblicke in ein Unternehmen gewinnt, ist so etwas nur selten möglich.